Selbsterfahrung sinnvoll ???

Bietet Pflegebedürftigen, Angehörigen, Mitarbeitern, ehrenamtlich Engagierten, Berufsbetreuern und allen die Zeuge von Verletzungen der Menschenwürde sind, die Möglichkeit darüber zu berichten sowie Rat und Unterstützung einzuholen. Positive Beispiele und Vorbildhaftes kann hier ebenfalls hervorgehoben werden.

Selbsterfahrung in der Pflege // Mehrfachnennungen möglich !!!

JA, halte ich für wesentlich
81
43%
NEIN, halte ich für unwesentlich
2
1%
Hat/hatte Einfluß auf mein Tun...
43
23%
Hat/hatte KEINEN Einfluß auf mein Tun
0
Keine Stimmen
Würde ich aktiv dran teilnehmen
53
28%
Würde ich NICHT dran teilnehmen
6
3%
Würde ich mich NICHT TRAUEN dran teilzunemen
2
1%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 187

olafohl
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Selbsterfahrung sinnvoll ???

Beitrag von olafohl »

Hallo hier einmal ein Zitat von Dirk Höffken :
...Mit der Selbsterfahrung ist das immer so ein Problem. Jeder Mentor oder Praxisanleiter kennt dies. Insbesondere bei jungen Schülern sind meine Erfahrungen da eher Negativ. Während einer Fortbildung über die Pflege von Schlaganfallpatienten, sollten wir uns auch mit einer Hand ein Frühstück zubereiten und dann Essen, u.s.w.. Es ist sicher eine Methode, aber ob der Effekt so groß ist lasse ich mal dahingestellt. Ist mal eine Frage fürs Schülerforum

:D Hiermit geschehen....
Haltet ihr Selbsterfahrung für sinnvoll ?
Ja... warum ???
Nein... warum nicht ???

Würdet ihr an solchen Selbsterfahrungsgeschichten teilnehmen, wenn nein warum nicht ?

Welche Erfahrungen habt ihr damit, wenn ihr denn welche habt ?

Inwieweit hat sie euer denken,fühlen, euch in eurer Arbeit beeinflußt,
hat sie für euch etwas verändert ?

Nun ja ich bin der Meinung das Empathie ein wesentlicher Faktor in der Pflege ist... Empathie meint mitfühlen, sich in die Situation eines andreren versetzen...

:wave


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Jutti
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Beitrag von Jutti »

Tja, dann geb ich da meinen "Senf" mal direkt dazu, zumal ich ja die Selbsterfahrung auch angesprochen hatte.....
Würdet ihr an solchen Selbsterfahrungsgeschichten teilnehmen, wenn nein warum nicht ?

Welche Erfahrungen habt ihr damit, wenn ihr denn welche habt ?
Klar, ich habe daran teilgenommen und trotzdem gibt es für mich Bereiche, da würde ich liebend gerne auf Erfahrungen verzichten. Ich schränke dies also für meinen Erfahrungsbereich konkret ein: Situation in der Schule, wir haben gegenseitig belebende und beruhigende Waschungen vorgenommen, beschränkt auf Arme, Beine und Rücken. Ebenso wurde die atemstimulierende Einreibung gegenseitig geübt, lagern, liften und vieles mehr, aber nur eine einzige Mitschülerin hat sich bereit erklärt, Zahn- und Mundpflege durchführen zu lassen und meine Wenigkeit war das nicht. Ich mags schon nicht, zum Zahnarzt zu gehen und an meinen Mund............neeeee danke aber genau da sollte man drüber nachdenken, wenn man Mundpflege durchführt, das derjenige es vermutlich auch nit grad so liebt.........
Apropos in die Wanne liften, wir habens gemacht, mit Dienstklamotten in die trockene Wanne geliftet werden ist selbst angezogen ein überaus komisches Gefühl: man verliert die Kontrolle über seinen Körper im Sinne von Bodenkontakt, von Gurt, der stark einschneidet unter den Achseln, von auch noch genauestens beobachtet werden, man könnte ja schließlich durch wat auch immer aus Gurt rutschen. Wenn ich nu drüber nachdenke, der Klient ist och noch nackt dabei, entblößt, wehrlos, hilflos und ma so ganz am Rande noch, eventuell mag er nu nitmal so eigentlich wirklich baden gehen.................wurde viellecht mit arger Überredungskunst (ein Hurra auf die Kommunikation *g*) dazu gebracht.............

:wink



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Marcell
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Beitrag von Marcell »

Hi

Bin ganz dafür nur durch selbst Erfahrung kann man erahnen was der andere denkt. Aktuell hatten wir das in unserer Fortbildung Basale Stimulation wo wir uns auf den Boden legen sollten und uns 30 min nicht rühren durften, das einzige was wir sahen war die weiße Decke spätestens nach 5 min. fühlst du dich und wohl und willst instinktiv diese ändern nur du kannst es ja nicht. War wirklich lehrreich das ganze (auch wenn es jetzt nicht mit Gewalt zu tun hat)

Grüße

Marcell



olafohl
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Beitrag von olafohl »

Hallo MArci
ich meine schon dass das etwas mit Gewalt zu tun hat... Hat es in einem gewissen Sinne nicht etwas gewalttätiges an sich einen Menschen zu "zwingen" den ganzen Tag ins Leere zu starren... und was mag es mit diesem Menschen machen... könnte er nicht aufgrund dieser Tatsache nicht auch gewalttätig werden... Widerstand leistend gegen seine Situation ...


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andrea
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Beitrag von andrea »

Hallöchen,
ich halte diese Selbsterfahrung für äußerst sinnvoll,aber nicht nur für Schüler, sondern ganz besonders auch für Ärzte, Therapeuten, Angehörige, Pflegepersonal......... ich glaube nur so können wir uns auf das, was der Pflegebedürftige fühlt einlassen, weil wir es nachempfinden können. Wir mussten es schließlich "hilflos" wie die zu Pflegenden am "eigenen Leibe" erfahren. Ich würde mir wünschen, dass Selbsterfahrung zu festen regelmäßigen Fortbildungen gehören würde und zur Pflichtveranstaltung für alle, die mit Pflege zu tun haben gehören würde.( Auch den Politikern würde ein Stückel Selbsterfahrung auf diesem Gebiet nicht schaden)
Liebe Grüße :wave


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olafohl
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Beitrag von olafohl »

Hallo Andrea
stimmt ich bin auch der Meinung das Selbsterfahrung für ALLE sinnvoll wäre, nicht nur für Schüler ! Ich hätte zum Beispiel gerne einmal den Bundestag, nur ein par von Ihnen, in einem stinknormalen Altersheim unter meinen Fittichen... :D :D :D

Pflichtveranstaltung halte ich jedoch für bedenklich, niemand sollte zu etwas gezwungen werden was er nicht will,denn dies wäre Gewalt. Jedoch sollte die Notwendigkeit der Selbsterfahrung vermittelt werden...
Nur wenn diese freien Willens geschieht kann sie ihren Zweck erfüllen...


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Marcell
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Beitrag von Marcell »

Hi Olaf
Hallo MArci
ich meine schon dass das etwas mit Gewalt zu tun hat... Hat es in einem gewissen Sinne nicht etwas gewalttätiges an sich einen Menschen zu "zwingen" den ganzen Tag ins Leere zu starren... und was mag es mit diesem Menschen machen... könnte er nicht aufgrund dieser Tatsache nicht auch gewalttätig werden... Widerstand leistend gegen seine Situation ...
Stimmt es ist Gewalt wenn ich einen Menschen fixiere ohne das er das wünscht (wobei wer will das schon freiwillig) Das schwierige bei Fixierungen ist ja die grad Wanderung wo beginnt die Gewalt und endet der Schutz der Person? Bestimmte Menschen kann man leider nicht anders schützen...

In unserem Fall geht es nicht um Fixierung im eigentlichen Sinne die Leute sind auch fixiert aber nicht durch technische Maßnahmen sondern durch Schädel Hirnerkrankungen, sie sind gefangene im eigenen Körper, ein Schicksal das ich niemanden wünsche...

Grüße

Marcell



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doedl
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Beitrag von doedl »

Zum Thema Selbsterfahrung......

ich hatte mal in München die Gelegenheit in einem- glaube das nannte sich- Aging Anzug die Selbsterfahrung des Alters zu machen.

Der Anzug war höchst unkleidsam, gggg, aber hatte auch sonst seine Mucken. Um die eingeschränkte Mobilität zu simulieren, waren Gewichte an Armen und Beinen angebracht; die Hörfähigkeit wurde durch Polster über den Ohren gemindert und die Sehfähigkeit durch eine Art Brillenvisier.

Ich bin mit diesem Dingens mehr schlecht als recht rumgestolpert und habe mir die Welt rapide gealtert angesehen.

Irgendwer sagte mal zu mir- jede Pflegekraft und jeder Arzt sollte wenigstens einmal im Leben schwer erkrankt gewesen sein, eine OP hinter sich haben und dem Tod schonmal ins Auge gesehen haben, dann würde er/sie sich anders verhalten.

Ist was Wahres dran

Lieben Gruss

Doedl

http://www.temporaire.info


Wir müssen die Änderung sein, die wir in der Welt sehen wollen- Mahatma Gandhi

olafohl
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Beitrag von olafohl »

Hallo Marci
Ich meinte nicht die von dir angesprochenen Fixierungen, aber was das betrifft :-) Hätt ma wieder nen Thema für sich.... Ich denke das sie manchmal sinvoll sind, aber eben genauestens / genauer erwogen werden sollte, wann sie zum Wohle des Menschen sind.... und welche Alternativmöglichkeiten es gäbe wenn es welche gäbe .... :D sorry für die komplizierte und etwas verschrobene Formulierung, hab noch nit genug Kaffee intus...

Was ich meinte ist folgendes :
Da liegt ein Mensch in seinem Bett, kann sich aus sich selbst heraus vielleicht nicht bewegen, inwieweit er seine Welt wahrnimmt ist uns nicht wirklich bekannt.... aufgrund seines körperlichen Zustandes kann er nicht selbst seine Umgebung beeinflußen.... Vergiss es Marci ich versuch das mal anders mit nem Beispiel vielleicht klappt dat besser....

FR. X hat starke Kontrakturen der Armen und Beine, sie kann weder aufstehen noch kann sie selbstständig essen, trinken sprich sie ist bewegungsunfähig, eigenständiges drehen im Bett ist auch nicht möglich also wird sie "gelagert" Links - Rechts - Rücken
soweit so gut....
Was nimmt Fr. X nun wahr von ihrer Welt ?
Ich muss dazu sagen das sie mental anwesend ist, sie spricht, unterhält sich mit den PK, wenn diese sie ansprechen...

Links : auf die Zimmertür,
auf dem Rücken : die mehr oder weniger weiße Decke
Rechts: wei0e Wand, hängt zwar ein Bild ... kann sie aber nicht sehen da zu hoch...
Fr. X ist schon etwas länger im Hause...
das heißt seit Jahren genießt sie diese Aussicht.... Ich persönlich fand das recht deprimierend... also mit Stationsleitung geredet könnt man das bett nicht umstellen.. Sie denn gute idee, red mit den Angehörigen und denne mach ma...
Nun sieht es wie folgt aus :
Links : Blick aus den Fenster, war jetzt öfter mal offen bei den Temperaturen so das sie den Wind , Sonne spüren kann, die Vögel hört, ...
Rücken : leider immer noch die weiße Decke...
Rechts : Steht jetzt ihr Fernseher, den hatte sie schon vorher, aber eben...

Was das mit Gewalt zu tun hat ?
Ich finde das es etwas gewalttätiges hat einen Mensch in ein Wahrnehmungsarmes Umfeld zu legen, ihn seiner Wahrnehmung zu berauben...
Selbsterfahrung ? JA sie ist nicht nur sinnvoll sie ist zwingend erforderlich, denn dan würde meiner Meinung nach soetwas nicht mehr so leicht möglich sein... Fr. X ist seit mehr als 5jahren im Hause....


Vor dem Spiel ist nach dem Spiel

andrea
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Registriert: Di 16. Jul 2002, 19:15

Beitrag von andrea »

Hallo
so eine Dame habe ich während meines ersten Einsatzes im Altenheim erlebt.Das Zimmer war dekoriert mit Bildern einem Kreuz und einem Mobile welches einfach bewegungslos in einer Ecke angebracht war. Besagte Dame hatte einen Dekubitus und war meist superweich gelagert.(zusätzlich immobil machend) Obwohl sie allein hätte essen können wurde ihr vom Pflegepersonal und von den Angehörigen das Essen gereicht . Die Angehörigen meinten man könne Omi ruhig ein wenig verwöhnen das PK meinte das Essen ginge zu langsam und das Bett wäre meist mit verschmutzt. Am WE kamen Ehrenamtliche in der Mittagszeit um beim Essen reichen zu helfen. Diese Dame ,seit 4 jahren im Heim hatte weder ihr Zimmer geschweige denn das Bett seit ihrer Ankunft verlassen. Nach Aussagen der PK war sie bereits zu Hause seit 7 Jahren ans Bett gefesselt. Der Umzug aus der Häuslichen Umgebung ins Heim soll gravierend abgelaufen sein. Da diese Dame sehr adipös war und sich niemand in der Lage sah diese Dame die enge Treppe herunterzutransportieren wurde sie mit einem Kran aus dem Fenster gehievt!!!!!
Auf meine Frage hin ,warum besagte Dame nicht einmal auf die Bettkante oder in den Rollstuhl gesetzt werde bekam ich zur Antwort dass der Kreislauf dann verückt spielen würde da diese Dame seit 11 Jahren im Bett liege. Ich habe mit dieser Frau sehr viel gesprochen und habe ihr beim selbsständigen Essen Gesellschaft geleistet. Anfangs aß sie nur widerwillig allein(war wieder Gewalt) später erzählte sie mir viel beim Essen. Ihr größter Wunsch war den Regen im Gesicht zu spüren. Da sie nicht aus dem Bett durfte und wollte dachte ich mir dass man sie mit dem ganzen Bett in den Garten bringen könnte wenn es das Wetter zuließe (Regen und Bett wäre nicht gegangen) Die PK fanden die Idee gut und halfen dabei sie umzusetzen. Die Dame freute sich darauf ..................aber als ich am verabredeten Tag kam und sie schon auf den Flur geschoben hatte wurde sie sehr ängstlich, beruhigend sprachen wir auf sie ein und schoben sie nach draussen weil ich annahm diese Angst käme durch die neue Situation und würde sich legen wenn sie im Garten mit den anderen Bewohnern in Kontakt treten könnte. (heute denke ich, dass das grobe Gewalt war,ich hätte ihrem Wunsch nachkommen sollen und sie wieder in ihr Zimmer bringen sollen) Sie jammerte nun und wollte wieder nach oben in ihr Zimmer .Ich hatte den Eindruck sie nahm die Umgebung überhaupt nicht wahr so verängstigt war sie. Wir brachten sie dann sofort auf ihr Zimmer und versuchten sie zu beruhigen. Sie sagte sie wolle so etwas nie wieder erleben und diese Prozedur würde sie uns nicht so schnell vergessen. Ich habe aus dieser Situation eine Menge gelernt. Ich frage mich trotz allem warum man bei dieser Frau nicht von Anfang an versucht hat in kleinen Schritten ein Stückchen Lebensqualität zu erreichen. Klar dass sie nach so vielen Jahren "Gefängnis" Angst hatte, der Schritt nach draussen war für sie viel zu groß. Hier wurde über Jahre hinweg Gewalt ausgeübt und durch den Heimeinzug hat sich nichts verändert sondern die Gewalt ging und geht weiter, :( bewusst oder unbewusst. :o hwell


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olafohl
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Registriert: So 1. Dez 2002, 22:31

Beitrag von olafohl »

Hallo Andrea
das was du geschrieben hast zeigt, meiner Meinung nach wie wichtig Selbsterfahrung ist !
Mangelnde Empathie, Unachtsamkeit, ja schlimmstenfalls Gleichgültigkeit bieten ihr einen idealen Nährboden... das absurde ist das sie, die Gewalt, auch guten Willens geschehen kann , man meint es gut aber....


Vor dem Spiel ist nach dem Spiel

Dirk Höffken
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Registriert: Mi 18. Jun 2003, 20:00

Beitrag von Dirk Höffken »

Hallo.

Da dieses Thema mit einem Zitat von mir Eröffnet wurde und aufgrund der gegenwärtigen Diskussion im Schülerforum möchte ich mich nun auch kurz äußern.

Der Beitrag „Liegestützen für die Altenpflege“ spiegelt genau meine Bedenken hinsichtlich der Selbsterfahrung wieder. Dabei geht es nicht um solche Übungen wie z.B. „Essen reichen“ und ähnliches, sondern um Dinge die (wenn auch nur Geringfügig) in die Intimsphäre der Schüler eingreifen. Das Aufzählen und Erläutern der Gründe für der Schwierigkeiten vieler Schüler (insbesondere der Jüngeren) würde hier (mal wieder) zu Weit führen. Entscheidend ist aber, dass sich jeder Dozent, Lehrer und Praxisanleiter (Mentor) darüber im klaren sein muss, dass ein „Machtverhältnis“ besteht. Letztendlich auch (trotz Vertauensbasis) bestehen muss. Daraus Resultiert das jeder Ausbilder ein gesundes Maß an empathischen Fähigkeiten benötigt.

Bittet man z.B. einen 18-jährigen Schüler darum sich vor drei weiteren Schülern (m/w!) den Oberkörper zu Entblößen um ASE zu Demonstrieren wird er dieser Aufforderung meist ohne Widerspruch folgen. Hieraus allerdings den Schluss zu ziehen, er tue dies immer Freiwillig zeugt von mangelhaften pädagogischen Fähigkeiten. Macht und Gruppendruck sind hier zwei wichtige Variablen.

Gefährlich wird es immer dann, wenn die Welt nur durch die eigenen Augen betrachtet wird. Ich habe z.B. keine Probleme mehr!!! damit, mich mit entblößtem Oberkörper vor eine Gruppe zu setzen und als Anschauungsobjekt für pflegerische Maßnahmen zu fungieren. Daraus würde ich allerdings nie den Schluss ziehen, dass dies andere Personen genauso sehen.

Wie sich solche Schlussfolgerungen dann Entwickeln können, ist an dem oben genanten Beitrag zu sehen.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wir die Intimsphäre des Patienten (Bewohners) fast Täglich verletzen. Im Prinzip ist dieser Vergleich sowieso Unzulässig.

MfG DH

Zitat:
Die billigsten Leidenschaften auf der Welt sind Hoffnung und Liebe, aber am Schluss zahlt man am meisten für sie.
(türkisches Sprichwort)



Dirk Höffken
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Beitrag von Dirk Höffken »

Hallo.

Selbsterfahrung sinnvoll??? war die Frage. Nach den meisten Beiträgen zu Urteilen scheint man die Frage mit einem Ja Beantworten zu können.

Ich stehe der ganzen Angelegenheit zwar immer noch Offen, aber auch mit einer gewissen Skepsis, gegenüber. Den vielfach wird Selbsterfahrung zum Hindernislauf. Mich würde ja mal Interessieren was Schüler wirklich aus dieser Art des Unterrichtes mitnehmen. Mal eine Frage für die Kollegen in der Pflegepädagogik.

Allerdings bezweifle ich, dass Selbsterfahrung zur Verminderung von Gewalt in der Pflege beiträgt. Den es mangelt vielfach nicht am Verständnis der Pflegekräfte für die Bewohner und Patienten, sondern vielmehr am inadäquaten Umgang mit den physischen und psychischen Belastungen dieses Berufes. Zumal Selbsterfahrung nicht immer Möglich ist.

Ab und an ist Selbstreflexion hilfreich. Für mich der seine pflegerische Berufslaufbahn, nach dem Examen, in der klinischen Geriatrie begonnen hat, war eines ziemlich schnell Klar: Das kann es nicht Gewesen sein. Letztendlich eine richtige Entscheidung. Ich gehe heute viel Umsichtiger mit den Patienten (Bewohnern) um und reagiere kaum noch mit aggressivem Verhalten (mal Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen). Leider wird jede Aufgabe ziemlich schnell zur Routine.


MfG DH

Leute, die mit ihrer Unzufriedenheit zufrieden sind, nennt man Nörgler.
(Werner Mitsch)



Benutzer 1685 gelöscht

AW: Selbsterfahrung sinnvoll ???

Beitrag von Benutzer 1685 gelöscht »

Hallo Dirk,
Bittet man z.B. einen 18-jährigen Schüler darum sich vor drei weiteren Schülern (m/w!) den Oberkörper zu Entblößen um ASE zu Demonstrieren wird er dieser Aufforderung meist ohne Widerspruch folgen. Hieraus allerdings den Schluss zu ziehen, er tue dies immer Freiwillig zeugt von mangelhaften pädagogischen Fähigkeiten. Macht und Gruppendruck sind hier zwei wichtige Variablen.
Ist es nicht auch diesselbe Situation in die wir unsere BW bringen? Auch das, denke ich ist teil der Selbsterfahrung, nicht nur die ASE.

Ich kann von einer ganz anderen Selbsterfahrung sprechen, die nichtmal in die Intimsphäre geht, wenn man so will.
Wir mussten uns für 15 Minuten auf eine Decke legen und die weisse Wand anstarren. Wir durften uns nicht bewegen. Unsere Dozentin machte die alltäglichen Geräusche einer Station/Pflegekraft im Zimmer. Also Fenster auf/zu, Tür auf zu, handtieren mit Nierenschale usw. Und obwohl ich jedes dieser Geräusche kannte (viele BW kennen sie nicht) machte mich dieser Zustand wahnsinnig. Das "Experiment" war dann irgendwann gott sei dank zu Ende. In mir hatten sich Aggressionen gestaut, die mir vorher niemals bewusst waren, dass ich sowas habe.

Ein weiteres Beispiel zu diesem Thema macht für mich deutlich, wie wichtig Selbsterfahrungen sind.

Nämlich wenn sich Praktikanten gegenseitig Mundpflege machen sollen. Und eine schon von Vornherein sagt:"Des mach ich net." Jetzt könntest du Argumentieren, das man in ihre Intimsphäre eingreift, wenn man sie überredet es doch zu tun. Aber wer hat denn Respekt vor der Intimsphäre des BW´s? Muss er sich nicht auch jeden Morgen von einer PK Mundpflege machen lassen? Ob er sie mag oder nicht, ob er es eklig findet, das ihm jemand fremdes im Mund handtiert?


Gruss Sophie



Dirk Höffken
Beiträge: 2083
Registriert: Mi 18. Jun 2003, 20:00

Kurze Anmerkungen

Beitrag von Dirk Höffken »

Hallo sophie,

der Thread ist bereits etwas in die Jahre gekommen. Da er an Aktualität allerdings nichts verloren haben dürfte, erlaube ich mir einige wenige kurze Anmerkungen:
von sophie
... „Ist es nicht auch diesselbe Situation in die wir unsere BW bringen?“ ...
Die Wahrnehmung von Situationen ist subjektiv! Ein Mensch kann objektiv identische Situationen erleben, die Wahrnehmung im Gehirn unterscheidet sich jedoch. Mal ein vereinfachtes Beispiel: Wenn eine Person sich bei gleichen externen Bedingungen einmal vom Masseur und einmal vom Partner massieren lässt, sind das objektiv identische Situationen. Durch die Interpretation im Gehirn werden daraus jedoch zwei unterschiedliche Realitäten.
von sophie
... „Wir mussten uns für 15 Minuten auf eine Decke legen und die weisse Wand anstarren.“ ...
Dies mag objektiv identisch mit z.B. der Situation eines Apoplexpatienten sein. Auf subjektiver Ebene divergieren diese Situationen jedoch. Und für unser Gehirn zählt nur die subjektive Situation: Die Wahrnehmung!
von sophie
... „Ein weiteres Beispiel zu diesem Thema macht für mich deutlich, wie wichtig Selbsterfahrungen sind.

Nämlich wenn sich Praktikanten gegenseitig Mundpflege machen sollen. Und eine schon von Vornherein sagt:"Des mach ich net." Jetzt könntest du Argumentieren, das man in ihre Intimsphäre eingreift, wenn man sie überredet es doch zu tun. Aber wer hat denn Respekt vor der Intimsphäre des BW´s? Muss er sich nicht auch jeden Morgen von einer PK Mundpflege machen lassen? Ob er sie mag oder nicht, ob er es eklig findet, das ihm jemand fremdes im Mund handtiert?“ ...
Daraus folgend erwartest du z.B. auch von einem Eheberater das er fremdgeht um sich in die Situation seiner Klienten einzufühlen oder von einem Psychiater, das er einen Menschen umbringt bevor er einen Mörder begutachtet?

Selbsterfahrung wird eine viel zu hohe Bedeutung beimgemessen!


Mit freundlichen Grüßen

Dirk Höffken



Benutzer 1685 gelöscht

AW: Selbsterfahrung sinnvoll ???

Beitrag von Benutzer 1685 gelöscht »

Hallo Dirk,

es geht nicht darum dass derjenige der sich in dieselbe Situation begibt, dieselben Gefühle haben muss. Es soll nur aufmerksam machen, und zum Nachdenken anregen. Wir gehen im Pflegealltag mit vielem allzu leichtfertig um, Selbsterfahrungen dienen einfach nur dazu, sich Situationen bewusst zu machen. Das dabei jeder etwas anderes fühlt ist meiner Meinung nach logisch, da jeder Mensch andere Erfahrungen mitbringt.

Sophie



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*Angie*
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AW: Selbsterfahrung sinnvoll ???

Beitrag von *Angie* »

Im Jahr 1989 habe ich unwillentlich eine solche Selbsterfahrung gemacht, die mich seither sehr geprägt hat. Ich wurde an den Augen operiert.

Anschließend lag ich eineinhalb Tage mit komplett verbundenen Augen allein in einem mir fremden Krankenhauszimmer. Tür auf - Tür zu, Fenster auf - Fenster zu ... ohne Worte. Ich horchte auf jedes Geräusch und es stieg die nackte Panik in mir hoch ...

Ein Gespräch mit der Schwester hat dazu geführt, dass ich mich nicht so anstellen sollte ... erst das Gespräch mit dem behandelnden Arzt hat Abhilfe geschaffen.

Denken ist scheinbar manchmal Glückssache ...


» Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in einer Garage steht. « (Albert Schweitzer)

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Bambi123
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AW: Selbsterfahrung sinnvoll ???

Beitrag von Bambi123 »

Bin da auch geteilter Meinung...wir haben vor kurzem in der Schule die GKW geübt und die Mundpflege.

Ich kann es z.B. auch nicht haben wenn mir jemand im Mund rumfummelt oder wenn ich meinen Oberkörper entblößen muß(klar im Schwimmbad macht man das auch, ist aber was anderes). Ich fühlte mich richtig schelcht, nach dieser Selbsterfahrung.

Aber ich muß auch sagen, das ich meine Bewohner nun mehr als einmal frage wie sie sich fühlen dabei bzw. ob es ihnen gut geht.


-Toleranz ist eine Tugend, die uns leider oft fehlt-

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