JahresSoll statt MonatsSOLL

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Leah123
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JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von Leah123 »

Hallo liebe Gemeinde!

Ich hatte gestern ein Vorstellungsgespräch für eine 40h. Zu erbringen hätte ich jeden Monat 172h 8)
Das hat mich verwirrt, da doch jeder Monat eine unterschiedliche Anzahl von Arbeitsstunden hat. Denn wieso soll ich im Juni, der z.B. 160h Sollarbeitszeit hat, 172h arbeiten? Nach meiner Berechnung mache ich ja somit 12h Minus :eek:

Zu Hause habe ich mich also einmal hingesetzt und das ganze auf das Jahr 2014 (also 12 Monate) ausgerechnet. Berücksichtigt habe ich immer die tatsächliche Sollarbeitszeit der einzelen Monate gegenüber der zukünftig zu erbringenden, monatlichen 172h.

Herausgekommen ist, dass ich bei einer gleichbleibenden monatlich zu erbringenden Sollarbeitszeit von 172h an 8 Monaten 64 "Minusstunden" einfahren würde. An 4 Monaten würde man zwar 26 "Überstunden" haben, unterm Strich - ja und das kann ja nun jeder erraten - steht allerdings dann aber immer noch ein Minus von -38h, dass der AG ja dann sicherlich vom MA abgearbeitet haben will.

Das heißt doch im Umkehrschluss, dass ich hier im Jahr für fast 5 Tage umsonst arbeiten gehe, oder? :eek: Im großen Stil betrachtet und bei den zahlreichen MA in dem Betrieb spart doch der AG ganze Monatsgehälter, oder sehe ich da etwas falsch?

LG sendet euch Leah



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Schwester Wolfgang
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von Schwester Wolfgang »

. . . wir haben in Deutschland Vertragsfreiheit. Jeder kann jedem einen Vertrag anbieten - der andere muss ihn ja nicht unterschreiben. Einen Vertrag unterschreiben und anschließend beschweren, dass man über den Tisch gezogen wurde, bringt nicht viel.
Auf der anderen Seite behalten sich die Gerichte vor, Verträge darauf zu prüfen, ob sie gegen gesellschaftliche Normen verstoßen, also sittenwirdrig sind. Dazu braucht es aber jemanden, der einem Gericht einen solchen Vertrag vorlegt.

Ob die von Dir geschilderte Praxis mit dem Monatssoll von 172 Stunden unter die Rubrik "sittenwidrig" fallen, weiß ich nicht, habe auch kein passendes Urteil parat. Was nicht heißt, dass nicht schon mal ein Gericht über einen solchen Vertrag beraten hat.
Gegen den Strich geht mir das allerdings auch und zwar gewaltig und deshalb kann ich Dir wieder nur empfehlen:
- geh zur Rechtsabteilung der Gewerkschaft, wenn du Mitglied bist
- oder geh zu einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, wenn Du eine Rechtsschutzversicherung hast . . .



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Leah123
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von Leah123 »

...nein ich hatte nur Vorstellungsgespräch und habe gar nichts unterschrieben. Es hat mich halt nur stutzig gemacht mit diesen 172h und wie der AG das auf meine Nachfragen schönreden wollte...also siehst du das auch so wie ich, das hier mit den 172h irgendetwas faul ist, ja? :confused:



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johannes
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von johannes »

Meine Mitarbeiter arbeiten alle nach dem Jahressoll. Dies ist die Ausgangsbasis am 1. Januar des Jahres. Jeden Monat wird die tatsächlich gearbeitete Zeit abgezogen (Arbeit, Krank, Urlaub).

Bleibt am Ende des Jahres Arbeitszeit übrig, die nicht gearbeitet wurde, verfällt diese am 31.12. des Jahres. Wurde mehr gearbeitet, als das Jahressoll, wird dies auf Stundenbasis vergütet.

In der Praxis bleiben durchschnittlich 80 - 90 Arbeitsstunden am Ende des Jahres übrig. Da ich nur verpflichtet bin, die Heimbewohner 24 Stunden täglich optimal zu versorgen, tut es mir nicht weh, wenn die nicht benötigte Zeit verschenkt wird. Auftrag erfüllt - alles Bestens.

Übrigens: Arbeitsvertraglich gilt bei uns die 38,5 - Std. - Woche, in der Praxis ist es bisher immer weniger gewesen. Wieso? Meine Mitarbeiter arbeiten an 7 Tagen hintereinander jeweils 10 Stunden und haben danach 7 Tage frei. Überstunden sind tabu! In der Praxis sind das 23 Wochen Arbeit im Jahr. Der Rest ist frei und Urlaub. Das zahlt sich tatsächlich aus!

Geplantes, zuverlässiges Frei, 3 x 3 Wochen Urlaub, Krankheitsquote Pflegepersonal im letzten Jahr 2,73 %.

Geht nicht - gibts nicht!


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peri
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von peri »

[quote=""johannes""] Arbeitsvertraglich gilt bei uns die 38,5 - Std. - Woche[/B][/quote]

[quote=""johannes""]Meine Mitarbeiter arbeiten an 7 Tagen hintereinander jeweils 10 Stunden[/B][/quote]

7 x 10 gibt bei mir 70. Du solltest daher schreiben "durchschnittliche Wochenarbeitszeit".

Auch: du solltest die DSGverklagen :D


:yo

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Schwester Wolfgang
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von Schwester Wolfgang »

. . . Leah123, die Bemerkung erst Vertrag unterschreiben und dann beschweren, war nicht explizit an Deine Adresse gerichtet. Ich denke bei meinen postings auch oft an die vielen passiven Mitleser. Also - nimms bitte nicht persönlich!

Ja und die Sache mit der Monatsarbeitszeit stinkt mir auch - schönreden, oder nicht. Ich hatte mal einen WBL, alter Marxist, der sagte immer: "Leute, wir leben im Kapitalismus (auch wenn das beschönigend mit allen anderen Titel bezeichnet wird, wie Marktwirtschaft, soziale Marktwirtschaft u.a.). Das heißt: die einen haben das Eigentum an Produktionsmitteln, die anderen nur ihre Arbeitskraft. Und die sollte man so teuer, wie möglich verkaufen."
Ich habe mich zwar nicht mit Marx befasst, aber dem kann ich nur zustimmen.
Und Dir würde ich raten, eine Wochenarbeitszeit auszuhandeln, wie es anderenorts üblich ist. Man kann ja über alles reden . . .



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peri
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von peri »

...und btw, 172 Stunden? Dass ich nicht lache! Bei mir sind es noch 2 Stunden mehr im Monat, nämlich 174 - meine 30 angesammelten Überstunden verschwanden im Februar diesen Jahres auf seltsame Weise ins Nichts... :mad:

Es ist unmöglich, im Februar 174 Stunden zu leisten.


:yo

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Leah123
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von Leah123 »

Na das meine ich doch. Wenn du keinen JahresSoll hättest, dann würdest du doch auf viel mehr Überstunden kommen, als "nur" die 30h. Ganz einfach deshalb, weil über das Jahr hinweg die Monate deutlich weniger Soll aufweisen, als die monatlich zu erbringenden 174!! Siehe TE.
Bin ich gerade irgendwie verpeilt oder stelle ich mich nur zu doof an, das zu verstehen? :eek:



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johannes
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von johannes »

Du hast Recht, Peri, die vertragliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden in der Woche mit der entsprechenden Vergütung für diese Zeit. Praktisch beträgt die Arbeitszeit in der Regel tatsächlich nur 35 Stunden in der Woche.

Mit der DSG werde ich natürlich auch Kontakt aufnehmen. Es anzuwenden ist ja für mich kein Problem, aber es als ihres auszugeben ...


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Schwester Wolfgang
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von Schwester Wolfgang »

. . . nachdem ich nochmal eine Nacht darüber geschlafen habe, fällt mir eine wichtige Frage ein: wird denn in dieser Einrichtung mit Arbeitszeitkonten gearbeitet?



thomas09
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von thomas09 »

@leah: na gut, das ist ja grunsätzlich nicht zu beanstanden.
Was gibts für Zuckerl? oder auf Neudeutsch - insentivs?

Zahlt er mehr als vergleichbar im Ländle - dann wäre das Ganze zu überlegen.

Die Stundenberechnung kann ja nicht das alleinige Kriterium sein.

Zusatzversorgung, Fahrtkosten, Essenszuschuss, Urlaubsgeld, 13tes Monatsgehalt, Fahrtstrecke zum Arb.platz, Stundenverteilung/Dienstplan u.ä. sollten in die Überlegungen mit berücksichtigt werden.



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Leah123
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von Leah123 »

[quote=""Schwester Wolfgang""]. . . nachdem ich nochmal eine Nacht darüber geschlafen habe, fällt mir eine wichtige Frage ein: wird denn in dieser Einrichtung mit Arbeitszeitkonten gearbeitet?[/quote]

Ich hoffe doch, zumindest

Ich habe auch noch einmal darüber geschlafen und stelle fest, dass man ja im Jahr 8 Monate (aufgrund der 172h) eine 43 bzw. 42h-Woche hat. Die anderen 4 Monate wären es eine 39,09 bzw. 37,39h Woche.
Fakt ist also, dass man überwiegend mehr zu leisten ist, als wenn man eine regelmäßige, wöchentliche AZ von 40h vereinbart.

1.)Zum Beispiel Juni 2014 bei Monatsarbeitszeit:

172h : 20AT = 8,6h/Tag x 5 = 43h/Woche

Zum Beispiel Juni 2014 bei Wochenarbeitszeit:

2.) 160h : 20AT =8h/Tag x 5 = 40h/Woche.

Bei einem Bruttoverdienst von 2100 Euro wären das zu 1.) 11,27 Euro Stundenlohn, bei 2.) 12,12 Euro.

Das bedeutet, dass hier bei Abschluss einer Monatsarbeitszeit der Fokus ganz klar auf den Stundenlohn gerichtet werden muss.



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Leah123
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AW: JahresSoll statt MonatsSOLL

Beitrag von Leah123 »

[quote=""thomas09""]
Was gibts für Zuckerl? oder auf Neudeutsch - insentivs?
[/quote]

Überstunden werden mit einem Euro extra vergütet, soweit ich verstanden habe.
1800 Euro Brutto monatl. war das Angebot zum Thema Gehalt.
Das sind (bei den 172h monatlich) 9,66 Euro Stundenlohn ( in der Intensivpflege á 12h!!) .
Das muss man wirklich erst einmal verdauen.



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Schwester Wolfgang
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Beitrag von Schwester Wolfgang »

. . . ich habe nochmal hin- und her gesucht und festgestellt, dass es mindestens noch 2 Firmen in Deutschland gibt, die auch mit festen Monatsarbeitszeiten arbeiten. Hintergrund: erst alles was über die vereinbarte Monatsarbeitszeit hinaus geleistet wird, sind Überstunden. Damit erspart man sich dort umständliche Rechnerei. Ist ein aus Arbeitgebersicht nachvollziehbares Argument.
Ein weiteres Argument der beiden Arbeitgeber ist, dass sie schließlich auch, unabhängig von den sich monatlich verändernden Arbeitstagen, jeden Monat das gleiche Gehalt zahlen.
Wenn mit Arbeitszeitkonten gearbeitet würde, dann spielte es eh keine Rolle, da die Stunden ja entsprechend der geleisteten AZ eingetragen würden. Dann wäre die Monatsarbeitszeit allenfalls ein Richtwert.
Und wenn keine Arbeitszeitkonten vereinbart sind, dann ist es auch egal, denn dann ist der Stand am Monatsende bei Minusstunden eh immer Null (wegen dem § 615 BGB - Annahmeverzug).
Na ja, bei dem Stundenlohn, mit dem Du wenigstens "deutlich" über der Armutsgrenze liegen würdest, ist wohl eher nicht davon auszugehen, dass dort die Arbeitssuchenden Schlange stehen . . .



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