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Verfasst: Mi 24. Mär 2004, 22:43
von andrea
Hallo Reni
durch meinen Einsatz auf der Palliativ habe ich mir gerade über diese Sachen vermehrt Gedanken gemacht. Ich habe mich gefragt warum die Patienten und die Angehörigen trotz mehr als schlechter Prognose für die weitere Behandlung diese Tortour der Chemo auf sich nahmen und kämpften bis zum letzten Augenblick. Mein Verstand würde mir auch heute noch sagen ich würde bei bösartigem Krebs mit kaum Heilungschancen mein restliches Leben einfach ohne Chemie genießen wollen.
Es scheint aber so zu sein dass niemand diese Situation beurteilen kann der nicht selbst in dieser Lage ist. Ich habe kaum jemanden kennen gelernt der nicht diesen Versuch unternommen hat und glaube, dass das in der Überlebensnatur des Menschen liegt. Die Angehörigen sind in genau so einer Ausnahmesituation, der Verstand ist irgendwie ausgeschaltet, es zählt nur noch die Sorge um den kranken Angehörigen.
Ich finde man muß mit solchen Situationen sehr behutsam umgehen, selbst wenn man ihnen das erklären würde, sie wollten und können es nicht verstehen. z.B. eine Pat. die ihren Tod schon akzeptiert hatte, weil sie es selbst fühlen konnte wurde trotz Schwäche von ihren Angehörigen zum Essen und Laufen animiert. Trotz Arztgesprächen und vielen Gesprächen mit dem Personal wollte und konnte die Familie einfach nicht wahrhaben dass die geliebte Frau und Mutter in kurzer Zeit sterben würde. Die Frau versuchte sich in Abwesenheit der Familie besonders zu schonen nur um die Kraft zu haben mit ihrem Mann zu laufen und einen Happen zu essen. Was ich damals nicht erkannte wußte diese Frau aber sehr gut, ihre Familie wollte sie nicht loslassen es einfach nicht wahrhaben, sie redeten sich selbst ein dass die Frau nur Bewegung und viel Essen bräuchte um auf die Beine zu kommen. Diese Frau wurde nach Hause entlassen, auf eigenen Wunsch, nach zwei Wochen verstarb sie wobei ich glaube dass die Familie in ein sehr tiefes Loch gefallen war weil sie einfach nicht hören wollten was wirklich mit der Mutter los war.
Seither bin ich der Meinung dass wir, die nicht betroffen sind sicher nicht wissen wie wir selbst in einer solchen Ausnahmesituation reagieren würden und versuche trotz Logik einfach nur Empathisch zu sein. Liebe Grüße andrea