Medikamente von der Apotheke gerichtet

Pflege- und Sozialrecht.
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Jutti
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Beitrag von Jutti »

Hallo
Im Altenpfleger von 07/03 war ein Artikel darüber. Online habe ich diesen Link zur Information gefunden. Vielleicht beatnwortet dies schon deine Frage?!?
Jutta
http://pflegen-online.de/themen/news/ve ... -bvmed.htm



Dirk Höffken
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RE: Medikamente von der Apotheke gerichtet

Beitrag von Dirk Höffken »

Hallo „Glaukom“.

Die erste Frage hat Jutta ja schon Beantwortet.

Zu den restlichen Fragen:
Der Apotheker ist solange verantwortlich, bis die jeweilige Tagesration des Blisters angebrochen ist. Danach liegt die Verantwortung beim Austeiler.

Für die Pflegekraft, welche die Medikamente verteilt, ändert sich aus juristischer Sicht also gar nichts. Es gelten die gesetzlichen Regelungen zur Haftung.

MfG DH

Zitat:
"Jedes Ding lässt sich von drei Seiten betrachten, von einer wirtschaftlichen, einer juristischen und einer vernünftigen."
(August Bier, 1861 - 1940, dt. Mediziner u. Biologe)



Jutta und Peter
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Beitrag von Jutta und Peter »

Schwieriges Thema, betrifft auch mehr Pflege- und weniger Arbeitsrecht... Umso schwieriger, weil die Frage eine Entwicklung und Neuerung betrifft, für die es außer der Änderung des Apothekengesetzes noch keine Rechtsnormen gibt.

Wir haben jedoch in "Das Recht der Stationsleitung" von Heinz Sträßner und Manuela Ill-Groß Hinweise gefunden, die in diesem Fall eine Verantwortlichkeit der verabreichenden Pflegekraft in Frage stellt. Darüber hinaus gibt es auch weitere sachliche Gründe, die unseres Erachtens eine Haftung ausschließen würden.

Das Buch ist eines der wenigen auf dem deutschen Markt, die sich ausschließlich mit der Rechtsstellung von Pflegekräften befaßt und in der aktuellen Auflage aus 2002 relativ aktuell ist. Die Autoren gehen in der Frage der Medikation noch davon aus, daß neben dem Empfänger der Medikamente nur Arzt und Pflegekraft beteiligt sind.
Bei der Arbeitsteilung des Arztes und der Pflegekraft in der Medikation ist grundsätzlich vom Leistungsbestimmungsrecht und der Leistungsbestimmungsverpflichtung des Arztes auszugehen, zumal er mit seiner diagnostischen und therapeutischen Bewertung die Befindlichkeit des patienten beurteilt. (...) Prinzipiell hat der Arzt unter Beachtung der Grundregel der "5 R's" darauf zu achten, dass im Einzelfall sichergestellt ist, dass der richtige Mitarbeiter mit der richtige Medikation dem richtigen Patienten gegenüber zur richtigen Zeit und in der richtigen Applikationsart gegenüber zum Einsatz gelangt. (...) Die Vorbereitung der Medikation darf nur einer hinreichend qualifizierten nichtärztlichen Person übertragen werden. Dies ist in der Regel eine examinierte Kraft. Es ist bedenklich, pflegefremden Personen die Vorbereitung der Medikation zu übertragen. (...) Bei der Vorbereitung der Medikation ist ein zeitliches Moment zu beachten. Zwischen Vorbereitung und Gabe der Medikation liegt ein entsprechender Zeitablauf, der möglicherweise zur Verwechslung, zur Veränderung und/oder zur Verschlechterung der vorbereiteten Medikation führt. (S.269 ff.)
In erster Linie trägt also der behandelnde Arzt die Hauptverantwortung für die Medikation, in der stationären Pflege delegiert er lediglich die Durchführung seiner Anordnungen. Ersetzt man in den zitierten Passagen "Pflegekraft" durch "Apotheker", verschiebt sich die Verantwortung teilweise. Bedenklich finden wir allerdings, daß durch derartige Versorgungsverträge die Durchführungsverantwortung auf zwei unterschiedliche Instanzen verteilt wird, so daß im Falle eines Fehlers die "Schuld" schwer zuzuordnen sein wird.

Bedenklich außerdem, daß im geschilderten Fall die Medikamente für eine ganze Woche im Voraus gerichtet werden, weil - je nachdem, ob die Tabletten offen oder im Blisterstück in den Schachteln liegen - eine Qualitätsänderung der Medis nicht ausgeschlossen werden kann. Stichworte: Luftfeuchtigkeit, Einflüsse durch Luftsauerstoff oder Licht, Kontamination.

Im Zweifelsfalle ist unseres Erachtens eine Haftung durch die verabreichende Pflegekraft auszuschließen, weil diese ohne das Vorliegen des Originalpräparats keine Möglichkeit hat festzustellen, ob beim Vorbereiten in der Apotheke ein Fehler unterlaufen ist. Dies ist zum Teil selbst dann nicht möglich, wenn die Tabletten noch in Blisterstücken eingeschweißt sind, weil bei einigen Herstellern der Präparatname in solchen Fällen nicht mehr zu lesen ist (z.B. Novodigal (Name quer drübergedruckt) oder Iscover (Name nur am Rand des Blisters aufgedruckt)). Eine Haftungsmöglichkeit ist unseres Erachtens dann nur noch hinsichtlich der richtigen Zeit und des richtigen Patienten gegeben.

Aber, wie gesagt, außer der Gesetzesänderung gibt es hierzu unseres Wissens noch keine weiteren Rechtsnormen.

Gruß


Jutta und Peter
Webmaster Konfliktfeld Pflege

Dirk Höffken
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Beitrag von Dirk Höffken »

Hallo.

Die Haftungsfrage ist im Falle der Fehlmedikation ausreichend Geregelt. Es gelten, wie bereits Erwähnt, die allgemeinen Grundsätze des Haftungsrechtes.

Dazu eine Ausschnitt aus einem Artikel von Hans Böhme (Jurist) in Pflege- & Krankenhausrecht 4. Jg. 1/01:

...“Es ist üblich im Gesundheitswesen, dass der Arzt für die Verordnung von Medikamenten, die Apotheke für das Ausliefern und Herstellen und auch Zusammenstellen von Medikamenten und die Pflegefachkraft für das Ausgeben zuständig ist. Das Stellen von Medikamenten ist keine klassische pflegerische Aufgabe, sondern im Gegenteil eine klassische Apothekenaufgabe. Im Verhältnis der Kooperationspartner zueinander gilt der Grundsatz, dass jeder für seinen persönlichen Anteil haftet. Das heißt, der Arzt haftet für sein persönliches Tätigwerden, für die Verordnung, wie der Apotheker für sein persönliches Tätigwerden – also haftet er für das Stellen und nicht der, der ausgibt. Die Sicherheit
ist mit dem Blisterpackungsverfahren gewährleistet.“...

Und aus dem selben Artikel:

...„1 . Bei wöchentlichem Stellen von Medikamenten ist die Frage, ob die Wirkstoffe sich nicht eventuell beeinflussen können, so dass pharmakologische und hygienische
Probleme auftreten können. Nach Mitteilung der Apothekerkammer Baden-Württemberg
ist das Stellen über eine Woche hinweg unproblematisch. Wechselwirkungen von Medikamenten sind nicht bekannt. Sofern die Außenhaut von Kapseln
sehr dünn ist, sollten diese gesondert gestellt werden.“...

--------------------

Die Pflegekraft haftet zivilrechtlich meist nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Strafrechtliche Folgen sind ja bekanntlich immer schwer Abzuschätzen.

Zwei Beispiele:
1. Pflegekraft X verabreicht dem Patienten Y die in der Apotheke gestellten Medikamente. In der Apotheke kam es jedoch bei einem Medikament zur Verwechslung. Das verordnete und das fehlerhafte Präparat sind bei flüchtiger Betrachtung nicht voneinander zu Unterscheiden. Auf Grund der Verwechslung kommt es zum Tode des Patienten. Wie sieht die rechtliche Situation aus?

Keine komplette Falllösung. Aber natürlich trifft die Pflegekraft hier keinerlei Schuld. Zumindest wenn es zu keinen Unregelmäßigkeiten kam. So dürfte in den meisten Apothekenverträgen eine Regelung enthalten sein, die eine stichprobenartige Kontrolle der Blister vorsieht. Wurde diese nicht Durchgeführt, wird das mit der Haftung schon etwas Schwieriger.

2. Pflegekraft M, welche seit 5 Jahren im Heim beschäftigt ist, gibt dem orientierten Bewohner N, der sich seit 3 Jahren im Heim befindet, die Medikamente aus einem Blister der in der Apotheke falsch Beschriftet wurde. Trotz des Hinweises des Bewohners, auf die vielen Tabletten die er sonst nicht Bekommt, bittet ihn die Pflegekraft die Medikamente zu nehmen und fügt hinzu „Der Herr Doktor hat ihre Medikation geändert“. Eine Kontrolle in der Dokumentation findet nicht statt. Der Bewohner vertraut der Pflegekraft und nimmt die Tabletten. Nach zwei Stunden findet man ihn Tod in seinem Bett. Auf die stichprobenartige Kontrolle der Blister wurde aus Zeitgründen verzichtet. Wie sieht die rechtliche Situation aus?

Die Haftung des Heimträgers, der Apotheke, der Ärztin und der Pflegkraft, die für die stichprobenartige Kontrolle zuständig war, lassen wir hier mal Beiseite. Ebenso zivilrechtliche Aspekte.
Der Pflegekraft droht in diesem Fall aber mit Sicherheit u.a. eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB.

Es kommt also immer auf den individuellen Fall an. Ich werde dieses Thema auf meiner eigenen Homepage, wenn ich sie mal Zustandegebracht habe, etwas ausführlicher Behandeln.

MfG DH

Zitat:
Im Himmel sind Heilige gut aufgehoben. Auf Erden können sie einem das Leben zur Hölle machen.
(Richard J. Cushing, amer. Kardinal, 1895-1970)



Jutta und Peter
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Beitrag von Jutta und Peter »

Das Stellen von Medikamenten ist keine klassische pflegerische Aufgabe, sondern im Gegenteil eine klassische Apothekenaufgabe.
Das ist uns aber neu!
Die Sicherheit ist mit dem Blisterpackungsverfahren gewährleistet.
Da fallen uns aber spontan ein halbes Dutzend Medikamente ein, die von der Pharma-Industrie nicht in Blisterpackungen, sondern lose in Dosen oder Gläsern geliefert werden.

Zu den pharmakologischen und hygienischen Problemen: Sandimmun-Kapseln enthalten Alkohol als Lösungsmittel für den Wirkstoff, deshalb dürfen diese erst unmittelbar vor der Einnahme aus dem Blister genommen werden.

Im übrigen geht aus §12a Apothekengesetz nicht hervor, daß die Medis von der Apotheke gestellt werden müssen. Konnten wir leider erst heute nachlesen, weil gestern abend die Internet-Seite des Bundesgesundheitsministeriums irgendwie nicht erreichbar war.

Gruß


Jutta und Peter
Webmaster Konfliktfeld Pflege

Jutti
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Beitrag von Jutti »

mmmmmmmh
mal weit weg von allen rechtlichen Aspekten stelle ich mir das schwierig in der Realtität vor.
Blödes Beispiel: nun hat Jemand heute den RR im Keller, also würd ich ja gerne diverse Medis rausnehmen, weil der die nu einfach nit bekommen sollte, aaaaaaaaber, wenn dat nu alles fertig gestellt, die Packungen bei Apotheke liegen (oder verbleiben die bei uns im Medischrank??) wie soll ich rausfinden, welche Pille welche ist, wenn ich nix zum vergleichen hab ?(
oder pötzliche Dosisänderung durch HA, tja wie, wenn man nit wüßte, welche Pille welche nu ist, respektive ich ja nicht an die Pillen käme....?(
jedenfalls stelle ich es mir schwer kontrollierbar vor und irgendwie recht kompliziert gegenüber der derzeitigen Art des Umgangs damit, aber vielleicht verstehe ich das neue System auch bloß nicht richtig :rolleyes:
Jutta



Dirk Höffken
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Beitrag von Dirk Höffken »

Hallo.

Über die Ansicht H. Böhme, dass das Medikamentenstellen keine klassische pflegerische Tätigkeit ist, kann man sicher geteilter Meinung sein. Allerdings ist hierbei zu bedenken, dass viele Aufgaben in den Tätigkeitsbereich der Pflege verlagert wurden und werden. Das bedeutet aber noch lange nicht das sie dadurch quasi Automatisch zu klassisch pflegerischen Tätigkeiten werden. Es spielt für die Frage der Haftung im Schadensfall sowieso nur eine untergeordnete Rolle.

Die Zweifel an der Sicherheit individueller Blisterpackungen kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Zumal mit der Apotheke eine Instanz die Medikamente stellt, welche mit Sicherheit mehr Kompetenz auf diesem Gebiet aufweist als jede Pflegeeinrichtung, von denen sehr viele die Medikamente auch in einem wöchentlichen Rhythmus stellen.
Wenn ich mich recht Entsinne, sollte die Behandlung mit Sandimmun – Kapseln sowieso Ärzten mit speziellen Kenntnissen vorbehalten bleiben.

Über den § 12a des Apothekengesetzes ist bereits schon mal an andere Stelle in diesem Forum diskutiert worden. Natürlich müssen die Medikamente nicht von der Apotheke gestellt werden. Auch darf bei diesem Verfahren die Wahlfreiheit des Bewohners nicht eingeschränkt werden. Letzteres wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht auch ziemlich Bedenklich.

Letztendlich sehe ich bei dem Verfahren der individuellen Blisterpackungen nur ein Problem. Die prozessrechtliche Seite. Zivilrechtlich mag der Bewohner bzw. sein Rechtsnachfolger noch eine halbwegs reelle Chance haben seine Ansprüche geltend zu machen, strafrechtlich dürften solche Fälle aber kaum noch zu Klären sein.

@ Jolanda

Die haftungsrechtliche Situation bei Schülern weicht etwas ab. Entgegen landläufiger Meinung, interessanter Weise auch von Mentoren und Praxisanleitern, haften Schüler (wenn auch nur in begrenzten Rahmen) für durchgeführte Maßnahmen.

MfG DH

Zitat:
Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.
(Salvador Dali)



Starbreeze
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Beruf: Kinderkrankenschwester
Einsatz Bereich: ambulante Pflege

Beitrag von Starbreeze »

Hmm . . also ich finde es auch bedenklich wenn die Apotheke die Medis stellt . . da hat man ja gar keine Kontrolle mehr . . so kennt man ja, wenn man die Medis selber stellt, die Medikation der einzelnen Patienten und merkt schneller wenn was mit den Medis nicht stimmt . . :o hwell Aber so? Nee da hätte ich kein Vertrauen . . X(



olafohl
Beiträge: 142
Registriert: So 1. Dez 2002, 22:31

Beitrag von olafohl »

Hallo ich stehe dem sehr kritisch gegenüber. Derzeit wird bei uns im Hause in Wochendossets gestellt, sprich die Medikamente werden für eine ganze Woche im voraus gestellt.... Es kommt dann immer wieder einmal vor das Ärzte die Medikation ändern, etwas absetzen, die Dosierung verändern, ein neues Medikament ansetzen... dies geschieht teilweise sehr kurzfrisitg. Was dazu führt das die Dossets immer mal wieder korrigiert werden müssen... Wie soll das mit den "Blisterpacks" funktionieren ? Alle retoure in die Apo und dort dann neue stellen lassen ? Oder die Blisterpacks aufreissen medis raus bzw. rein und wieder zu ? Oder ? oder oder oder....

Was hier bereits auch erwähnt worde die Kontrolle, ich habe arge bedenken dass diese noch gewährleistet ist.... Ich will niemanden zu nahe treten, schliesslich sind wir alles nur Menschen, aber

Der Apotheker kennt den Menschen/Bewohner in der Regel nicht für den er die Medikamente stellt ...

ich befürchte wenn der PK zum blossen Pillenverteiler degradiert wird, wird er sich auch nicht mehr so verantwortlich fühlen...

auch Ärzte irren einmal da der Apotheker aber den Bew. nicht kennt wird ihm das unter Umständen nicht auffallen...

und was ist eigentlich mit Tropfen kommen die dann in Phiolen ???


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