Linchen schrieb ...

Hier könnt ihr euch melden, wenn ihr Fragen zu den Themen Sterbebegleitung und Pflege Sterbender habt.
Antworten
Benutzeravatar
johannes
Beiträge: 3704
Registriert: Sa 17. Nov 2001, 23:53
Kontaktdaten:

Linchen schrieb ...

Beitrag von johannes »

Ich frage mich -und meinen gläubigen Freund und Pastor- oft wo denn der liebe Gott in derartigen Situationen ist...
Nach allem, was ich weiß, gibt es den "lieben Gott" nicht.
Es gibt Dinge die einfach nicht zu erklären und nicht zu verstehen sind.
Stellt sich die Frage, ob wir sie wirklich erklären und verstehen wollen.


Ein Mensch existiert nicht - er lebt!
Keiner ist so blind wie der, der nicht sehen will.
Ich vertrete nicht immer die herrschende Meinung - aber ich habe eine Meinung!
Einer sucht für ein Problem eine Lösung - ein Anderer sucht für eine Lösung ein Problem

Benutzer 1685 gelöscht

AW: Linchen schrieb ...

Beitrag von Benutzer 1685 gelöscht »

Johannes? was willst du mit dieser Sinnfrage erreichen?

Sophie



Benutzeravatar
johannes
Beiträge: 3704
Registriert: Sa 17. Nov 2001, 23:53
Kontaktdaten:

AW: Linchen schrieb ...

Beitrag von johannes »

Ich habe in meinem Leben gelernt, daß wir viele Fragen stellen, auf die wir eigentlich keine Antwort erwarten oder gar wünschen. Kommt doch eine Antwort, sind wir entrüstet darüber, daß sie kommt.

Gerade im Umgang mit Grenzsituationen hat sich gezeigt, daß die richtigen Antworten dem Leben eine Wendung geben können, die ohne die Grenzsituation nie möglich geworden wäre. Darum gilt es m. E., hier sehr sensibel zu sein.

Einem "im vollen Leben Stehenden" fällt es nur selten auf, wenn das Gegenüber selbst unsicher ist, keine Antworten auf die Fragen des Lebens weiß, schlicht hilflos ist. Einen Sterbenden oder Verzweifelten kann man nicht mehr so einfach blenden. Er will Antworten, die für ihn tragfähig sind.

Wir sind gerade in der Pflege also gehalten, uns bewußter mit dem Leben zu beschäftigen als andere Menschen. Schließlich haben wir uns doch die Respektierung der Menschenwürde auf die Fahnen geschrieben.


Ein Mensch existiert nicht - er lebt!
Keiner ist so blind wie der, der nicht sehen will.
Ich vertrete nicht immer die herrschende Meinung - aber ich habe eine Meinung!
Einer sucht für ein Problem eine Lösung - ein Anderer sucht für eine Lösung ein Problem

Benutzer 1685 gelöscht

AW: Linchen schrieb ...

Beitrag von Benutzer 1685 gelöscht »

Hallo Johannes,

könnten wir da aber nicht schon bei uns selbst und unsren Kollegen anfangen?

Wir fragen häufig oder werden gefragt: Wie gehts dir?

Die wenigsten geben darauf aber im Alltagsgeschäft eine ehrliche Antwort bzw. erwarten eine zu bekommen.

Vielleicht sollten wir erstmal anfangen unser Gegenüber richtig wahrzunehmen im Alltag.

Wir sind gerade in der Pflege also gehalten, uns bewußter mit dem Leben zu beschäftigen als andere Menschen. Schließlich haben wir uns doch die Respektierung der Menschenwürde auf die Fahnen geschrieben
Ja, ich glaube, das kommt von alleine ab einem gewissen Alter oder auch beim begleiten verschiedener Familien wenn ein Angehöriger sie verlässt. Wir reduzieren unsere Begleitung ja nicht nur auf den Sterbenden selbst sondern binden die Familie in diesen Prozess mit ein, können aus diesen Prozessen sehr viel lernen. In jeder Hinsicht, auch von denen, die mit Gott weniger anfangen können.

Sophie



Benutzeravatar
johannes
Beiträge: 3704
Registriert: Sa 17. Nov 2001, 23:53
Kontaktdaten:

AW: Linchen schrieb ...

Beitrag von johannes »

Ja, Sophie,

ich stimme Dir zu. Viele Probleme, die uns begleiten, würden gar nicht erst entstehen, wenn wir etwas aufmerksamer miteinander umgingen. Ob das nun unter den Kollegen ist oder auch in den Familien. Wie viel Kraft wird hier unnütz vergeudet, die wir für die schönen Dinge des Lebens einsetzen könnten. Auch für ein gelungenes Miteinander.

Werde ich gefragt, gebe ich in aller Regel eine zutreffende Antwort, auch wenn diese nicht erwartet wird. Das hat schon manche Überraschung nach sich gezogen. Auch darin stimme ich Dir zu, daß wir es weitgehend nicht mehr gewohnt sind, mit einer ehrlichen An- oder Aussage konfrontiert zu werden. Schade drum.

Viel verlorenes Vertrauen ließe sich damit zurück gewinnen. Das würde gewiß allen helfen. Mir ist es ein Anliegen, hier wieder Brücken zu bauen. Darum habe ich diesen Gedankengang von Linchen einfach mal aufgegriffen.

Du schreibst
In jeder Hinsicht, auch von denen, die mit Gott weniger anfangen können.
Auch hier stimme ich Dir zu. Vielleicht läßt sich Vertrauen wieder herstellen? Vertrauen basiert auf dem Wissen um die Vertrauenswürdigkeit. Dieses erlangt man aber nur im Umgang mit dem Betreffenden. Also auf Erfahrungen, die man macht. Verhalten wir uns vertrauenswürdig, läßt das nicht selten auch Rückschlüsse auf unsere Motive zu.

Damit schaffen wir dann die Grundlage, auch jenen etwas zu vermitteln, die sich in Lebenskrisen befinden - es muß ja nicht immer gleich der Tod sein -, das ihnen wieder Mut und Hoffnung gibt. Schicksalsschläge und Verluste sind immer tragisch, aber mit wiedergewonnenem Vertrauen, wiedergewonnenem Mut und Hoffnung läßt sich dann auch die Zukunft wieder gestalten.

Pflegekräfte sind näher an vielen Menschen, die sich in scheinbar ausweglosen Lagen befinden und haben von daher auch mehr Möglichkeiten, Mut und Kraft zu vermitteln. Das kann unsere Arbeit neben der pflegerischen Tätigkeit zusätzlich spannend und erfüllend gestalten. Nicht umsonst heißt ein bekanntes Sprichwort
"Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude!"
Auch das trägt dazu bei, daß unsere Arbeit nicht einfach nur schwer ist. Freude läßt Lasten leichter tragen, in jeder Beziehung.


Ein Mensch existiert nicht - er lebt!
Keiner ist so blind wie der, der nicht sehen will.
Ich vertrete nicht immer die herrschende Meinung - aber ich habe eine Meinung!
Einer sucht für ein Problem eine Lösung - ein Anderer sucht für eine Lösung ein Problem

Benutzeravatar
Linchen
Beiträge: 187
Registriert: Di 21. Nov 2006, 12:41

AW: Linchen schrieb ...

Beitrag von Linchen »

Sei gegrüsst Johannes,

...nach allem was Du weisst, gibt es den "lieben Gott" nicht?
Vielleicht kannst Du mir diese Aussage bei Gelegenheit genauer erklären, denn ich verstehe sie nicht :)

Desweiteren stellt sich Dir die Frage -wenn ich Dich richtig verstanden habe-, ob wir Dinge die nicht zu erklären sind wirklich erklärt haben und verstehen wollen.
Ich kann da nur für mich persönlich sprechen und diese Frage mit einem klaren JA beantworten.
Denn meiner Meinung nach ist es einfacher mit Begebenheiten, Situationen und Erlebnissen umzugehen, wenn sie zu erklären und somit auch zu verstehen sind.



Benutzeravatar
johannes
Beiträge: 3704
Registriert: Sa 17. Nov 2001, 23:53
Kontaktdaten:

AW: Linchen schrieb ...

Beitrag von johannes »

Wenn wir die Frage stellen, was wir uns unter dem lieben Gott vorstellen, fällt die Antwort auf meine Aussage sicher nicht mehr so schwer.

Es ist unbestritten wahr, daß Gott Liebe ist.

Liebe gewährt Freiheit. Liebe gewährt Entscheidungen. Werden Freiheit und Entscheidungsfähigkeit mißbraucht, führt dies unweigerlich zum Leid, das uns in so unendlich vielen Gesichtern entgegen grinst. Bis hin zum Tod.


Doch das ist etwas völlig anderes als "der liebe Gott!"

Die Aussage: "Wenn es einen gerechten Gott gibt, würde er das alles nicht zulassen!" oder die Frage: "Wo ist der liebe Gott in solchen Situationen?" machen deutlich, was sich die Menschen unter einem lieben Gott vorstellen.

Unter dem lieben Gott verstehen fast alle Menschen jemand, der sich dem Leid entgegenstellt und es verhindert, weil sie Leid und Liebe nicht auf einen Nenner bekommen. Doch diesen Gott gibt es nicht. Mit der Fähigkeit, sich zu entscheiden, hat es der Mensch in der Hand, Gutes oder Schlechtes zu bewirken. Oft gehen die Auswirkungen so weit, daß andere, Unbeteiligte, mit davon betroffen werden. Nach der landläufigen Meinung würde ein lieber Gott dieses verhindern.

Darum sagte ich, daß es den lieben Gott nicht gibt.

Liebe zeichnet sich u. a. dadurch aus, daß sie dem Einzelnen Freiraum gibt. Ja, er kann sich auch falsch entscheiden.
Liebe verhindert dies nicht. Aber Liebe läßt den Betreffenden in dieser Situation nicht allein! Sie zwingt wohl nicht, sich so zu verhalten, wie es richtig wäre, aber sie mahnt, sie ruft, sie bittet - und wenn das nicht hilft, steht sie bereit dann einzugreifen, wenn ihr Handeln erwünscht ist. Gott ist Liebe, das ist etwas Besonderes. Das kann jeder erfahren, der will.
Zuletzt geändert von johannes am Mo 11. Jul 2011, 18:01, insgesamt 1-mal geändert.


Ein Mensch existiert nicht - er lebt!
Keiner ist so blind wie der, der nicht sehen will.
Ich vertrete nicht immer die herrschende Meinung - aber ich habe eine Meinung!
Einer sucht für ein Problem eine Lösung - ein Anderer sucht für eine Lösung ein Problem

Benutzeravatar
Linchen
Beiträge: 187
Registriert: Di 21. Nov 2006, 12:41

AW: Linchen schrieb ...

Beitrag von Linchen »

Danke für Deine Erlärung -Johannes-, dann hab ich Dich richtig verstanden und bin auch ganz Deiner Meinung. Das hatte ich mir schon gedacht und während des Formulierens sogar noch kurz überlegt ob ich "den lieben Gott" oder nur "Gott" schreiben soll.
Wenn man mit Kindern über Gott spricht, schleicht sich (zumindest bei mir) immer das "liebe Gott" ein und ich hatte bevor ich im Forum schrieb mit meiner Tochter ein Gespräch über ihren Reli-Unterricht. Sie kam ganz stolz an und erzählte, daß sie eine 1 im Zeugnis bekommt - vielleicht lag es daran.



Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 9 Gäste