Quartiere - die Lösung der Probleme in der Pflege?

Bietet Pflegebedürftigen, Angehörigen, Mitarbeitern, ehrenamtlich Engagierten, Berufsbetreuern und allen die Zeuge von Verletzungen der Menschenwürde sind, die Möglichkeit darüber zu berichten sowie Rat und Unterstützung einzuholen. Positive Beispiele und Vorbildhaftes kann hier ebenfalls hervorgehoben werden.
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johannes
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Quartiere - die Lösung der Probleme in der Pflege?

Beitrag von johannes »

Die Menschen sind fast ausnahmslos dafür, im Falle einer Pflegebedürftigkeit möglichst zu Hause versorgt und gepflegt zu werden. Wer will schon, wenn es um schwierige Lebenssituationen geht, "seine Lieben" verlassen und in eine fremde Umwelt überwechseln?
Das mag schon sein. Aber Wünsche und Träume entsprechen selten der Wirklichkeit. Wo sind die Kinder, die in früheren Zeiten - teils mehr schlecht als recht - ihre Eltern versorgten?

Sie wurden dem "Wohlstand" geopfert. Kinder passten nicht in unsere Vorstellung, daß auch Frauen ihre Selbstverwirklichung in der Berufstätigkeit, der Karriere finden. Für den Augenblick fiel es nicht auf, daß damit die Grundlage der Versorgung im Alter zerstört wurde.

Die grauen Panther und die Politiker schürten zusätzlich das Begehren, in der eigenen Wohnung zu bleiben, komme, was da wolle. Ja, als der Einzelne noch mit 50 oder 55 in Frührente gehen konnte und noch fit genug war, mit anzupacken, war das auch kein Problem. Schwere Pflegefälle "gab es für sie nicht!" In keiner Kommune der Grauen Panther waren sie zu finden. Man war agil und fühlte sich noch jung. Wo sind sie geblieben?

Im Wecken von Begehrlichkeiten, die später als "Grundrechte" verkauft werden, sind viele groß.
Insoweit sind alle Anstrengungen nachvollziebar, die darauf setzen, die Menschen auch bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit in gewohnter Umgebung, möglichst zu Hause, versorgen und pflegen zu können.
Um die Verwirklichung sollen sich dann andere kümmern. Es werden Hoffnungen geweckt, die bei nüchterner Betrachtung bereits von Anfang an zur Illusion werden.

Jedem klar denkenden Menschen leuchet ein, daß die umfassende Versorgung schwerst pflegebedürftiger Mitbürger im häuslichen Umfeld nichts weiter als eine Utopie ist. Sie ist allein schon von den personellen Ressourcen her nicht zu bewältigen, von den finanziellen gar nicht zu reden.

Heime werden - von Verbänden und Politikern gleichermaßen - mit Horrorvisionen verknüpft. Also suchen sie nach Alternativen. Was finden sie? Quartierkonzepte!

Jung und alt, gesund und gebrechlich leben in den Quartieren zusammen. Jeder hilft nach ihren Vorstellungen jedem. Das geschieht zwar auch heute schon, auch wenn es bisher nicht so genannt wurde. Aber sie sind stolz auf einen neuen Einfall! Sie glauben, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Aber sie haben wieder einmal "die Rechnung ohne den Wirt gemacht."

Bereits heute leben die Fitten und die Gebrechlichen zusammen und sind schockiert, wenn wieder einmal jemand wochen-, oder gar monatelang tot in seiner Wohnung lag. Warum? Niemand wußte, daß er überhaupt da war, obwohl man vielleicht tagtäglich an seiner Haustür vorbei ging. Wer glaubt ernsthaft, daß sich diese Gleichgültigkeit dem Anderen gegenüber auf einmal ändert? Nur weil Politiker und Verbände das so wollen? Da ist wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens!

Wir leben heute bereits mit einer massiven Überbelastung durch die mit immer härteren Bandagen kämpfenden Arbeitswelt. Wie viele schleppen sich mühsam nach Hause, um einmal kurz zu verschnaufen, bis die Tretmühle wieder weiter geht? Da soll dann noch Zeit sein für den Nachbarn? Hinzu kommt, daß immer mehr Menschen völlig allein leben. Ja, sie leben mit hunderten anderer unter einem Dach - aber dennoch allein!

Bei den vorhandenen, kaum steigenden Löhnen, dafür aber massiv steigenden Lebenshaltungskosten haben sie zu tun, sich selbst über Wasser zu halten. Sie sind so sehr in der Tretmühle, daß sie nicht einmal wahrnehmen, daß die heute fehlenden Kinder sich in wenigen Jahren auswirken werden. Jene, die einmal ihre Rente finanzieren sollen, gibt es nicht mehr. Von dem jetzigen Einkommen einen ausreichenden Teil für die Rente aufsparen?

Ja, das hätten die Politiker und die Versicherungswirtschaft gern. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Das Geld reicht ja nicht mal richtig für ein "vernünftiges" Leben im Hier und Heute! Bereits heute verfügen Millionen Rentner gerade mal über eine Mindestrente, teils sogar unter dem Sozialhilfesatz. Mit ein wenig Nachdenken wird man für künftige Zeiten nicht viel Licht erblicken.

Wer die Lösung der Probleme einer Gesellschaft ohne Kinder in Quartieren sucht, wird wohl bitter enttäuscht werden, wenn er in dieses vermeintlich goldene Zeitalter kommt. Es würde mich nicht wundern, wenn wir eines Tages - und das in nicht allzuferner Zukunft - wieder mit Schlafsälen konfrontiert werden, damit wenigstens eine Grundversorgung Pflegebedürftiger gewährleistet werden kann.

Was meiner Meinung nach helfen könnte, wäre ein

weniger ich und mehr wir.

Das jedoch ist in so weiter Ferne wie die Sonne von der Erde. In der Überwindung des Egoismus gäbe es vielleicht noch Hoffnung. Doch auch dies dürfte eine Illusion sein ...


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