Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Bietet Pflegebedürftigen, Angehörigen, Mitarbeitern, ehrenamtlich Engagierten, Berufsbetreuern und allen die Zeuge von Verletzungen der Menschenwürde sind, die Möglichkeit darüber zu berichten sowie Rat und Unterstützung einzuholen. Positive Beispiele und Vorbildhaftes kann hier ebenfalls hervorgehoben werden.
FeBarth
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Registriert: Di 21. Feb 2012, 18:55

AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von FeBarth »

dafür aber mit fullquote - für die übersichtlichkeit ;)


mich würde interessieren, was johannes' vorschlag für diesen fall wäre. den habe ich noch nicht so ganz herauslesen können.

ganz konkret wäre nett.



BiFi
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Registriert: Di 26. Feb 2008, 18:03

AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von BiFi »

Danke @Plüschfussel!
Das was du geschrieben hast war auch mein Gedanke, aber du hast es besser auf den Punkt gebracht! :smile

LG BiFi



Caramell
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Registriert: Fr 4. Mär 2011, 16:50

AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von Caramell »

Hallo Rebecca 1969 :)

Das Thema ist sehr interessant, denn es hat uns seit 2009 (als mein Vater einen Hirnschlag bekam) bis Mai diesen Jahres immer beschäftigt und verfolgt.

Mein Vater hat auch eine Schluckstörung und auch eine PEG. Die wurde gelegt, als er anfangs im künstlichen Koma lag. KH und REHA dauerten zusammen 6 Monate dann kam er nach Hause, bis unsere Mutter starb. (weitere 6 Monate später).

Papa vertrug die Kunstnahrung (ich nenn die immer so) schon immer schlecht, egal welches Produkt wir ausprobiert haben. Durchfälle ohne Ende und böses Aufstoßen und Sodbrennen, welches die Kunstnahrung wieder hochschiessen ließ. Daran hat er sich oft verschluckt und hatte auch edliche Aspirationspneumonien.

Auch mein Vater ist noch fit im Kopf, Körper leider garnicht. Aber seinen rechten Arm kann er wieder gut benutzen, anfangs aber nicht. Jedenfalls wollte er auch wieder essen und besonders etwas schmecken. Der damalige Hausarzt war ein Idiot (kann ich guten Gewissens heute sagen) und bestand immer darauf, Papa einfach durch die PEG zu ernähren. Wir haben uns aber nicht daran gehalten. Papa hat seinen freien Willen und ist sich des Risikos immer bewußt gewesen(er ist selbst Arzt).

Zu Hause ging es, obwohl der Hausarzt uns immer angriff und besonders meine Mutter. Anfangs waren wir auch komplett unsicher, aber mit der Zeit und besonders in Bewustsein der Tatsache, dass die Kunstnahrung ebenfalls Verschlucken verurschte, haben wir Papa "normales" Essen angereicht. Mit der Zeit findet man auch heraus, was gut geht und was nicht, wie Essen eventuell zu zerkleinern ist usw.

Je flüssiger eine Nahrung z.B. ist, desto größer ist bei ihm die Verschluckungsgefahr. (Flüssigkeit eh nur über die PEG).

Anfangs saßen wir auch immer mit angehaltenem Atem da und warteten quasi auf Hustenanfälle. Und dazu kann ich nur sagen, sowas überträgt sich auch auf die essende Person. Ebenso die uns zugetragenen Anweisungen der Ergo-und Logopädin ihm immer wieder zu ermahnen, langsam zu essen und schön zu kauen und ihn nicht sprechen zu lassen und ebenfalls wenig zu sprechen. Das hat meinen Vater wahnsinnig gemacht. Spass waren diese Mahlzeiten nicht und auch kein Genuss.

Irgendwann kam aber der normale Umgang automatisch und auch der Blick dafür, wie eventuelle Verschlucker einzuordnen sind.(Wann man handeln muss und wann abwarten).

Schwierig wurde es nach Mutters Tod, als nur noch Altenheim eine Option war. Es war schon ein Kampf, püriertes Essen durchzusetzen. Dafür wurde ein Schreiben aufgesetzt für das Heim UND den Hausarzt, welches beide von allem entband.........also Essen auf eigene Gefahr. Das Essen war aber so furchtbar, dass er es meist nicht wollte. Wir hatten in diesem Heim viele private Helfer und jeden Tag haben wir ihm Essen gekauft und die Helfer und wir haben es ihm gegeben.........2 Jahre lang.

Er hatte so einige Pneumonien, er wollte und will bis zum heutigen Tag aber trotz der Gefahr nicht verzichten. Auch wenn ein "normaler" Verschlucker stundenlanges Husten mit sich bringt, welches unheimlich anstrengend für ihn ist, er will essen und er soll! Er entscheidet selber, ob er dies in Kauf nimmt und wir wären die Letzten, die ihm das kleine Vergnügen auch noch nehmen würden...........auch wenn er stirbt.

Im Mai 2012 haben wir endlich ein richtig tolles Heim gefunden, wo er nun endlich zufrieden ist. Ganz kleiner Wohnbereich und kleines Heim. Dort war das Essen von Anfang an überhaupt kein Problem. Auch die neue Ärztin hat von Anfang an kein Problem gesehn. Vater kann jeden Tag einen neuen Herz-oder Hirninfarkt haben, wer weiß das schon......er kann auch jeden Tag vielleicht das letzte Mal essen. Der Unterschied liegt vielleicht daran, dass er mit dem rechten Arm selber essen zu sich nehmen kann und keine Pflegekraft das Gefühl bekommt, er oder sie wären Schuld an seinem Verschlucken und mehr......ich weiß es nicht. Jedenfalls ist es schön zu sehen, wie dort damit umgegangen wird.

Papa hat auch nicht das Gefühl mehr, er müsse um sein Essen "kämpfen". Jeden Tag wird dort im Wohnbereich frisch gekocht, jeder kann mithelfen, der es noch kann. Papa wird auch nicht gefragt, ob er etwas kleingeschnitten haben möchte.........er probiert es selber und wenn etwas nicht geht, soll er fragen. Er hat ein komplett entspanntes Verhältnis zum Essen bekommen. Und nach diesem ganzen langen Gefasel noch zum Schluß: Er sieht viel besser aus! Im alten Heim war immer alles irgendwie doch nicht gewünscht und so hat er viel zu viel immer essen wollen.....so nach dem Motto, es könnte ja doch das letzte Mal sein, dass man mir es noch erlaubt.

Wir haben immer verstanden, dass es eine Gradwanderung für die Heime und das Personal ist, doch Heime sind KEINE Krankenhäuser. Es ist das Zuhause der alten Menschen, in denen sie doch selbst bestimmen sollten, wie sie ihre Tage verbringen wollen. Fürsorgepflicht sollte keine Entmündigung mit sich ziehen.



hauptstadtpfleger
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von hauptstadtpfleger »

@caramell:
genau das ist der punkt! dein vater weiß um das risiko, kann selbst essen und isst selbst! ich gehe mal davon aus, dass dein vater geschaeftsfaehig ist? das schreiben fuer den arzt und die pk war eigentlich nur eine doppelte absicherung, weil es in derartigen faellen auch schon vorgekommen ist, dass die "verständnisvollen" hinterbliebenen danach mit einem lohnschwaetzer auf der matte standen und etwas von "verklagen" und "anzeigen" redeten.

grundsätzlich gilt: wenn ein voll geschaeftsfaehiger patient meint, dass er den rat des arztes in den wind schlagen muss, dann darf er das. zumindest soweit er damit nur sich selbst und nicht andere gefährdet.

wenn ein krebspatient keine chemotherapie will, dann ist das seine entscheidung. wenn ein neuropatient mit schluckstoerung meint, dass er unbedingt feste nahrung essen muss, obwohl dass zum tode führen kann, dann darf er das, allerdings nur, wenn er sich die nahrung selbst zuführen kann. er kann keine pk verpflichten ihm diese nahrung zuzuführen und keine pk darf ihm diese nahrung zuführen, da sie sonst die grenze zum strafbaren handeln überschreiten wuerde.



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legolas
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von legolas »

es ist schon interessant, was in deutschland für diskussionen laufen.
über die anderen bin ich leider nicht informiert.

wie lautet das im grundgesetz? die würde des menschen ist unantastbar?

wer hat das recht, über mich zu bestimmen, zu entscheiden ob ich geschäftsfähig bin und nur dann darf ich entscheiden, ob ich was und wie und ob überhaupt essen darf?

vergeßt doch mal die schule und versucht wenigstens mal, euch in die lage des bewohners/ klienten/ patienten zu versetzen. das lernt man leider in keiner schule.

p.s.: zur würde des menschen gehört auch das recht fehler zu machen.



A.v.Stösser
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von A.v.Stösser »

Hallo Hauptstadtpfleger
Ihre Ausführungen kann man so nicht gelten lassen. Außerdem sind diese rein hypothetisch. Oder haben Sie schon mal einen orientierten Patienten erlebt, der bei oraler Nahrungszufuhr regelmäßig zu ersticken droht und trotzdem verlangt weiterhin oral ernährt zu werden.

Im übrigen verschlucken sich die Patienten an fester Nahrung seltener als an flüssiger. Verschlucken steht zumeist im Zusammenhang mit einer falschen Sitzposition und Darreichungsform. Bevor an PEG gedacht wird, sollte Logopädie verordnet werden.



thorstein
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von thorstein »

Oder haben Sie schon mal einen orientierten Patienten erlebt, der bei oraler Nahrungszufuhr regelmäßig zu ersticken droht und trotzdem verlangt weiterhin oral ernährt zu werden.
Wird nicht genau dieser Fall von Caramell beschrieben? Und habe ich selbst auch schon häufiger erlebt. Zum Beispiel bei MS-Patienten.



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johannes
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von johannes »

@FeBarth
mich würde interessieren, was johannes' vorschlag für diesen fall wäre. den habe ich noch nicht so ganz herauslesen können.
Für diesen Fall kann ich keinen konkreten Vorschlag machen, da ich zuerst jene Person persönlich kennen müßte, um nach einem konkreten Weg zu suchen, mit ihrer Situation umzugehen.


Ein Mensch existiert nicht - er lebt!
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johannes
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von johannes »

@legalos
wer hat das recht, über mich zu bestimmen, zu entscheiden ob ich geschäftsfähig bin und nur dann darf ich entscheiden, ob ich was und wie und ob überhaupt essen darf?
1. jener, der vom Gesetzgeber dazu die entsprechende Befugnis erhalten hat
2. jener, der auf Grund seiner Qualifikation diese Einschätzung vornehmen kann
die würde des menschen ist unantastbar?
Ich denke, hier wird mit etwas Abstraktem argumentiert, das völlig am Leben vorbei geht. Bei allem und jedem wird die Würde des Menschen bemüht.

Vielleicht lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken, was das überhaupt ist. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, daß der Mensch doch nur das Produkt eines Zufalls mit kurzer Halbwertzeit sein soll. Er kommt nach gängiger Auffassung aus dem Nichts, lebt für nichts und geht ins Nichts.
Zuletzt geändert von johannes am Di 11. Sep 2012, 13:37, insgesamt 1-mal geändert.


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legolas
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von legolas »

zum thema geschäftsfähigkeit möchte ich ein beispiel bringen:

meine schwiegermutter (56) hatte im letzten jahr eine ponseinblutung. nach mehreren wochen koma, wachkoma und nachfolgende therapien und rehas ist sie auf dem weg der besserung.
sie ist noch im rollstuhl, benötigt sehr viel hilfe. das sprechen ist noch sehr stark eingeschränkt, man braucht zeit um sie zu verstehen.
mein mann konnte schon vor monaten die betreuung wieder abgeben. vor dem gesetz ist sie also voll geschäftsfähig.
vor wenigen wochen mußte sie auf grund einer beckenvenenthrombose ins krankenhaus.
irgendwann kam ein anruf vom krankenhaus, ihr sohn solle doch als betreuer vorbeikommen um unterschriften zu leisten. da mußte ich die gute dame darauf hinweisen, daß keine betreuung existiert.
und das war kein einzelfall, das haben wir des öfteren erlebt.

um zum thema zurückzukommen, mir ist klar, wer dazu befugt ist über mich zu bestimmen wenn ich nicht mehr dazu in der lage bin.
mir ging es darum, daß man schon mal empathie einbringen sollte in seine arbeit. das vermisse ich oft. wir lernen was richtig ist und sein sollte, handeln nach unseren vorstellungen. doch wie denken und und fühlen die, welche wir behandeln oder pflegen und sich oft nicht oder nur eingeschränkt äußern können? eine objektive antwort kann einem natürlich keiner geben.
leider kann empathie nicht gelehrt werden, man muß es selbst lernen und dazu bereit sein.

das patentrezept wird es nicht geben, hat man ja schon oft genug gelesen. darum handeln nach besten wissen und gewissen.



hauptstadtpfleger
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von hauptstadtpfleger »

[quote=""legolas""]wie lautet das im grundgesetz? die würde des menschen ist unantastbar?[/quote]

ja.

[quote=""legolas""]wer hat das recht, über mich zu bestimmen, zu entscheiden ob ich geschäftsfähig bin und nur dann darf ich entscheiden, ob ich was und wie und ob überhaupt essen darf?[/quote]

das hat johannes schon beantwortet.

[quote=""legolas""]vergeßt doch mal die schule und versucht wenigstens mal, euch in die lage des bewohners/ klienten/ patienten zu versetzen. das lernt man leider in keiner schule.

p.s.: zur würde des menschen gehört auch das recht fehler zu machen.[/quote]

kein grundrecht gilt schrankenlos! nur die wenigsten menschen leben allein auf einsamen inseln. sobald man sich seinen lebensraum mit anderen menschen teilt ist man zwangsläufig dazu verdonnert auch die grundrechte dieser menschen zu achten und das geht oft nur indem man kompromisse schließt und einen fuer alle seiten erträglichen ausgleich schafft.

was ist mit dem recht der pflegekraft, eine fuer den patienten potentiell tödliche und nicht medizinisch indizierte handlung unterlassen zu dürfen? das recht sich nicht strafbar zu machen? das betrifft sehr wohl die menschenwuerde der pflegekraft!

du arbeitest in der forensik. in der geschlossenen? dann dürften sich die meisten deiner patienten mehr oder weniger unfreiwillig dort aufhalten. was ist mit deren menschenwuerde?



hauptstadtpfleger
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von hauptstadtpfleger »

[quote=""A.v.Stösser""]Hallo Hauptstadtpfleger
Ihre Ausführungen kann man so nicht gelten lassen.[/quote]

warum?

[quote=""A.v.Stoesser""]Außerdem sind diese rein hypothetisch. Oder haben Sie schon mal einen orientierten Patienten erlebt, der bei oraler Nahrungszufuhr regelmäßig zu ersticken droht und trotzdem verlangt weiterhin oral ernährt zu werden.[/quote]

ja, habe ich. kommt in der neuro-fruehreha ab und zu mal vor, auch bei als-patienten habe ich es schon erlebt. caramell hat diesen fall recht anschaulich beschrieben.

[quote=""A.v.Stoesser""]Im übrigen verschlucken sich die Patienten an fester Nahrung seltener als an flüssiger. Verschlucken steht zumeist im Zusammenhang mit einer falschen Sitzposition und Darreichungsform. Bevor an PEG gedacht wird, sollte Logopädie verordnet werden.[/quote]

deshalb gibt es in der neuro-fruehreha auch schluckstufen. deshalb werden fluessigkeiten angedickt und deshalb wird unter aufsicht und anleitung eines logopaeden gegessen. ich arbeite regelmaessig in zwei neurologischen reha-kliniken, dort zwar auf der wache mit invasiv-beatmeten patienten, kriege aber auch das restgeschehen mit, da wir das rea-team dort stellen.



Benutzer 1685 gelöscht

AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von Benutzer 1685 gelöscht »

Hallo,
Außerdem sind diese rein hypothetisch. Oder haben Sie schon mal einen orientierten Patienten erlebt, der bei oraler Nahrungszufuhr regelmäßig zu ersticken droht und trotzdem verlangt weiterhin oral ernährt zu werden.
auch ich habe solche Bw schon erlebt. Krankheitsbilder wurden schon aufgeführt, mir fällt beispielsweise auch M. Parkinson noch ein.
daß man schon mal empathie einbringen sollte in seine arbeit. das vermisse ich oft. wir lernen was richtig ist und sein sollte, handeln nach unseren vorstellungen. doch wie denken und und fühlen die, welche wir behandeln oder pflegen und sich oft nicht oder nur eingeschränkt äußern können? eine objektive antwort kann einem natürlich keiner geben.
leider kann empathie nicht gelehrt werden, man muß es selbst lernen und dazu bereit sein.
Das ist leider in Zeiten von Personalknappheit ein sehr häufiges Problem.

Sophie



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Rebecca1969
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von Rebecca1969 »

Hallo,
Oder haben Sie schon mal einen orientierten Patienten erlebt, der bei oraler Nahrungszufuhr regelmäßig zu ersticken droht und trotzdem verlangt weiterhin oral ernährt zu werden.
Ja...und genau darum habe ich den Thead überhaupt aufgemacht- es geht darum wie man damit umgeht, wenn der jemand geistig völlig fit ist, seine Hände aber nicht mehr bewegen kann und eine schwere Schluckstörung hat, trotz der Gefahr zu ersticken normale Kost möchte. Sie wäre bereits einmal fast erstickt und danach wurde Tests gemacht, die hauptstadtpfleger erwähnt hat.
MS heißt die Diagnose in dem realen Fall, von dem ich berichtet habe.
Also jmd erklärt sich bereit dafür " zu unterschreiben" dass SIE das so wollte. Aber wir Pflegekräfte reichen ihr die Nahrung.
Menschwürde und inwieweit wir sie bewahren können, trifft imho genau den Kern.



A.v.Stösser
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von A.v.Stösser »

Klarstellungsversuch:

Caramell beschreibt eindrucksvoll, wie ihr Vater und sein Umfeld mit dem Risiko des Verschluckes umgegangen ist. Hätte er nicht so deutlich darauf beharrt, weiterhin orale Nahrung zu bekommen, würde er jetzt vermutlich nur noch über PEG ernährt.
Ist es nicht so, dass sich Pflegenden und Ärzte in erster Linie vom eigenen Absicherungsdenken beeinflussen lassen, wenn sie das Risiko für den Patienten einschätzen. Zweit- drei, etwas dramatisch wirkende Hustenanfälle reichen da oft schon aus, um ein orales Nahrungsverbot auszusprechen. Ist dieses einmal ausgesprochen, bedeutet das in der Regel, lebenslange - auschließliche Sondenkost. Ich habe mich selbst desöfteren über ein solches Verbot hinweggesetzt und weiß wie schwer es ist den Gegenbeweis anzutreten.

Im Übrigen darf kein Arzt orale Nahrungszufuhr verbieten. Schon gar nicht bei einem geschäftsfähigen Patienten der sich trotz Aufklärung über das Risiko, gegen eine PEG entscheidet. In diesem Falle müssten Pflegekräfte den Patienten nach allen Regeln der Kunst unterstützen. Wir sind zum Glück noch nicht soweit, dass uns vorgeschrieben werden kann, einem Patienten die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme zu verweigern, weil dieser künstliche Ernährung ablehnt.

Wohlgemerkt, wir sprechen hier von einem Patienten, der - wie der Vater von Caramel in der Lage ist, das Risiko für sich selbst einzuschätzen. Ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der sich regelmäßig derart verschluckt, dass er das Gefühl hat zu ersticken, der trotzdem auf oraler Kost beharrt. Wer schon einmal wirkliche Erstickungsangst ausgestanden hat, wird alles tun, um nicht nochmal in so eine Lage zu kommen.
An einem Hustenanfall kann man Sterben, an einer Aspiration von Sondennahrung ebenfalls. Das Risiko dürfte in beiden Fällen etwa gleich hoch sein.

Abschließend meine Empfehlung zum Thema: Sollte ein Arzt einen Patienten oder Angehörige unter Druck setzen, einer künstlichen Ernährung über PEG zuzustimmen, rate ich sofort diesen Arzt zu wechseln. Denn diesem fehlt nicht nur jedes Einfühlungsvermögen, sondern er misachtet außerdem das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Sollte ein Pflegedienst sich weigern, Ihnen oder ihrem Angehörigen bei der natürlichen Nahrungsaufnahme zu helfen, weil der Arzt das angeblich verboten hat, dann sind Sie in diesem Haus am falschen Platz.



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legolas
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von legolas »

"kein grundrecht gilt schrankenlos! nur die wenigsten menschen leben allein auf einsamen inseln. sobald man sich seinen lebensraum mit anderen menschen teilt ist man zwangsläufig dazu verdonnert auch die grundrechte dieser menschen zu achten und das geht oft nur indem man kompromisse schließt und einen fuer alle seiten erträglichen ausgleich schafft."

lieber hauptstädter,

da ich gebe dir vollkommen recht.

dennoch kann man die forensik nicht mit einem heim vergleichen.
das heim ist das was der name sagt und da kommt man meistens auch freiwillig hin. es ist auch nicht aufgabe eines heimes die therapie seiner bewohner.
hingegen ist die forensik ein maßregelvollzug, welcher die eingewiesenen patienten therapiert und resozialisiert. ein schwerpunkt unserer arbeit ist respekt und respektvoller umgang.

jedoch würde das zu weit führen und wir können gern mal in einem neuen treat darüber diskutieren. ich bin offen für neues.



Benutzer 1685 gelöscht

AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von Benutzer 1685 gelöscht »

Frau Stösser, ich wundere mich sehr über ihre Stellungnahme.
Abschließend meine Empfehlung zum Thema: Sollte ein Arzt einen Patienten oder Angehörige unter Druck setzen, einer künstlichen Ernährung über PEG zuzustimmen, rate ich sofort diesen Arzt zu wechseln. Denn diesem fehlt nicht nur jedes Einfühlungsvermögen, sondern er misachtet außerdem das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Sollte ein Pflegedienst sich weigern, Ihnen oder ihrem Angehörigen bei der natürlichen Nahrungsaufnahme zu helfen, weil der Arzt das angeblich verboten hat, dann sind Sie in diesem Haus am falschen Platz.
ist das nicht sehr pauschalisiert?

Sophie



hauptstadtpfleger
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von hauptstadtpfleger »

[quote=""A.v.Stösser""]Klarstellungsversuch:

Caramell beschreibt eindrucksvoll, wie ihr Vater und sein Umfeld mit dem Risiko des Verschluckes umgegangen ist. Hätte er nicht so deutlich darauf beharrt, weiterhin orale Nahrung zu bekommen, würde er jetzt vermutlich nur noch über PEG ernährt.[/quote]

das ist eine vermutung. wie gesagt, es gehoert zur neurologischen fruehreha, mit dem patienten die orale nahrungsaufnahme zu trainieren sobald die gegebenheiten dafuer vorliegen.

[quote=""A.v.Stoesser""]Ist es nicht so, dass sich Pflegenden und Ärzte in erster Linie vom eigenen Absicherungsdenken beeinflussen lassen, wenn sie das Risiko für den Patienten einschätzen. ... Ich habe mich selbst desöfteren über ein solches Verbot hinweggesetzt und weiß wie schwer es ist den Gegenbeweis anzutreten.[/quote]

pflegende und aerzte agieren nicht im luftleeren raum und auch nicht als willen- und rechtlose erfuellungsgehilfen von patienten oder angehoerigen. schon aufgrund unserer arbeit mit den uns anvertrauten menschen muessen wir uns absichern. alles andere waere gefährlicher leichtsinn.

solange alles gut geht, ist es leicht darüber zu reden, dass man sich schon oft ueber irgendwelche verbote hinweggesetzt hat, die zum schutz der körperlichen unversehrtheit des patienten aufgestellt wurden.

[quote=""A.v.Stoesser""]Im Übrigen darf kein Arzt orale Nahrungszufuhr verbieten. Schon gar nicht bei einem geschäftsfähigen Patienten der sich trotz Aufklärung über das Risiko, gegen eine PEG entscheidet.[/quote]

ein arzt darf garnichts verbieten! sämtliche therapie- oder behandlungsempfehlungen sind genau das, empfehlungen! ich kann mich daran halten oder auch nicht. in der regel empfiehlt es sich den empfehlungen des arztes zu folgen.

[quote=""A.v.Stoesser""]In diesem Falle müssten Pflegekräfte den Patienten nach allen Regeln der Kunst unterstützen. Wir sind zum Glück noch nicht soweit, dass uns vorgeschrieben werden kann, einem Patienten die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme zu verweigern, weil dieser künstliche Ernährung ablehnt.[/quote]

richtig, nach allen regeln der kunst! dazu gehoert auch, dass man handlungen unterlaesst die zu schweren körperlichen schaeden oder gar zum tode des patienten führen koennen. zum glueck sind wir auch noch nicht soweit, dass pflegekraeften vorgeschrieben werden kann, derartige handlungen am Patienten vorzunehmen.

[quote=""A.v.Stoesser""]Wohlgemerkt, wir sprechen hier von einem Patienten, der - wie der Vater von Caramel in der Lage ist, das Risiko für sich selbst einzuschätzen. Ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der sich regelmäßig derart verschluckt, dass er das Gefühl hat zu ersticken, der trotzdem auf oraler Kost beharrt.[/quote]

doch, die gibt es. wurde hier schon erwähnt.

[quote=""A.v.Stoesser""]An einem Hustenanfall kann man Sterben, an einer Aspiration von Sondennahrung ebenfalls. Das Risiko dürfte in beiden Fällen etwa gleich hoch sein.[/quote]

der hustenanfall ist die folge der aspiration. der fremdkoerper bzw. die sondenkost wandert ueber die trachea meist in die rechte lunge, da der rechte hauptbronchus vom lumen her etwas groesser ist als der linke. daran stirbt man in der Regel nicht, sondern an den folgen, wenn der fremdkoerper in der lunge verbleibt. in der stationären pflege führt man deshalb regelmaessig faerbetests durch, bei denen sondenkost mit lebensmittelfarbe angereichert wird, um dann zu prüfen, ob das trachealsekret mit gefaerbter soko angereichert ist.

das hauptproblem, das hier noch überhaupt nicht angesprochen wurde ist die gefahr des bolustod. gerade neurologische patienten mit schluckstoerungen, geschwächte patienten nach langer schwerer krankheit oder mit altersbedingtem schlechten az sind hier gefährdet! die nahrungsbrocken nehmen hier den richtigen weg durch den rachen in den oesophagus wo sie den nervus vagus reizen, was einen reflektorischen herzstillstand ausloest. deshalb das lange, langsame kauen, das sprechverbot während des essens, die passierte kost. ich moechte nicht daran denken, wenn das in einem pflegeheim passiert, wo vielleicht nur eine exe im dienst ist und das rea-team aus dem notarztwagen drei orte weiter besteht.

[quote=""A.v.Stoesser""]Abschließend meine Empfehlung zum Thema: Sollte ein Arzt einen Patienten oder Angehörige unter Druck setzen, einer künstlichen Ernährung über PEG zuzustimmen, rate ich sofort diesen Arzt zu wechseln. Denn diesem fehlt nicht nur jedes Einfühlungsvermögen, sondern er misachtet außerdem das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Sollte ein Pflegedienst sich weigern, Ihnen oder ihrem Angehörigen bei der natürlichen Nahrungsaufnahme zu helfen, weil der Arzt das angeblich verboten hat, dann sind Sie in diesem Haus am falschen Platz.[/quote]

das halte ich, so ohne jegliche betrachtung des einzelfalls, fuer einen hoechst fragwuerdigen rat. ich kann nur hoffen, dass du nach einem tödlichen zwischenfall dann genauso vollmundig hinter der betroffenen pflegekraft stehst, wenn es um prozesskosten, neuen arbeitsplatz, psychologische beratung und eventuelle finanzielle folgen geht.



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johannes
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AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von johannes »

... sondern er misachtet außerdem das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ...
Daß unsere Politiker an Realitätsverlust leiden, ist schon normal. Wenn im Bereich Pflege mit solchen Äußerungen der Realitätsverlust zum Ausdruck gebracht wird, stimmt nachdenklich.

Selbstbestimmungsrecht "auf Teufel komm raus" zeugt von einer Entartung des Denkens, und von einer Ignoranz gegenüber dem Menschsein, damit auch gegenüber dem Menschen.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein Beispiel aus der Straßenbahn in München ein:

Eine ältere Dame sitzt in einer Doppelsitzreihe. Auf die gegenüberliegende Bank setzen sich eine Mutter mit einem Mädchen. Das Mädchen gegenüber der älteren Dame. Nun schlenkert das Mädchen mit seinen Beinen, die nicht bis auf den Boden reichen, und tritt mit der Fußspitze immer gegen die Beine der älteren Dame.

Zuerst ein unwilliger Blick der Dame zum Mädchen, als es nicht aufhört, die Bitte an die Mutter, dem Tun des Mädchens Einhalt zu gebieten. Diese antwortet der älteren Dame, daß das Mädchen antiautoritär erzogen wird und selbst heraus finden muß, was richtig und falsch ist. Sie läßt ihre Tochter gewähren. Tja, das nennt man Selbstbestimmungsrecht!

Ich hoffe, daß die Moral der Geschichte, die sich tatsächlich so zugetragen hat, erkannt wird.

Jesus, der den Menschen geschaffen hat, sagte einmal während seines Erdenlebens:

"Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest;
wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst." (Joh. 21,1 8)

Dem Schöpfer und Erlöser des Menschen wird man wohl kaum nachsagen können, daß er die Würde des Menschen nicht achten würde, wo er diese doch erst durch seine Liebe erhält. Ja, auch die Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme gehört dazu.

Passierte Kost ist - richtig eingesetzt - keine Entwürdigung, sondern eine Hilfe. Abzuwägen, wann sie richtig eingesetzt, sollte von Fachkräften selbstverständlich erwartet werden können.


Ein Mensch existiert nicht - er lebt!
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thorstein
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Registriert: So 2. Sep 2007, 01:41

AW: Passierte Kost- muss das ein Mensch hinnehmen?

Beitrag von thorstein »

So viel Vertrauen in Fremdbestimmung?
Wir wollen nur ihr Bestes?
Zwei Schwestern, drei Meinungen?



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