Anliegen 1: Sklavin der Angehörigen

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Viconia
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Registriert: Sa 30. Jan 2010, 08:29

Anliegen 1: Sklavin der Angehörigen

Beitrag von Viconia »

Hallo Liebe Leser und Schreiber,
es zieht mich nach Jahren dann doch wieder hier her, weil ich mir oftmals keinen Rat weiß, und so hat sich dann über die letzten Jahre einiges angesammelt.

Zu meinem Anliegen. Die Überschrift mag provokant klingen, aber eben genauso fühle ich mich mittlerweile in meiner Einrichtung. Ich arbeite seit nunmehr 10 Jahren als Dauernachtwache in einem Ambulanten Stift (Appartmentpflege). Die meisten Leute dort haben viel Geld und sind auch dementsprechend anspruchsvoll in ihren Wünschen und Anliegen, wir versuchen wirklich immer allen möglichst gerecht zu werden, und wenn die Wünsche noch so merkwürdig sind. Doch so langsam frage ich mich, wo da eigentlich die Grenze ist, was Angehörige von uns verlangen, und wo unsere Pflegekompetenz beginnt.

In den letzten Jahren gab es überwiegend sehr nette und dankbare Angehörige, mit denen wir gut zusammenarbeiten konnten, doch ich möchte mich nun mit dem kleineren Teil hier beschäftigen, der eben weniger oder gar nicht kooperativ ist. Ich habe in den letzten Jahren recht viel mitgemacht (jeder in der Pflege kennt das), was die Wünsche der Angehörigen angeht. Sei es, wie dick die Marmelade auf Muttis Brötchen sein soll, bis hin zu Appartments, die mit Zetteln der Angehörigen regelrecht plakatiert wurden, sodass jeder einzelne Handgriff bestimmt wurde. Wir haben akzeptiert, dass Möbel und Betten völlig kreuz und queer im Raum standen, weil die private Esoterikberaterin mit ihrer Wünschelrute die Engergieströme gemessen hatte. Wir haben abgestandenes Wasser anreichen müssen, weil die Ehefrau es zuvor mit "Heilsteinen" tagelang mit "Energie aufgeladen" hat. Wir haben Bewohner wegen Mückenstichen ins Krankenhaus schicken müssen, nur weil die Tochter am Telefon "ganz sicher" sein wollte (und aber selber nie in Haus gekommen ist). Meistens waren die betreffenden Bewohner selbst sehr bescheiden und unkompliziert, oder konnten sich gar nicht mehr äußern. Es ging soweit, dass Angehörige verlangt haben, die Bettgitter hochzuziehen, obwohl es keine Richterliche Verfügung gab oder eine Erklärung des Betreuers (damals habe ich mich verweigert und gesagt dass sie das dann selbst auf eigene Verantwortung machen sollen, da Bew das abgelehnt hatte)...
Unsere PDL gibt immer dem Bewohner bzw den Angehörigen recht, und wir müssten tun was man uns sagt.

Doch nun stoße ich wirklich an meine Grenze. Es ist vor ein paar Monaten ein Ehepaar eingezogen, der Mann leidet unter Plegie, Bettlägrig, PEG, muss inder Nacht 2x gelagert werden und Inko-Versorgung, sowie über die Sonde Wasser bekommen. Das wäre alles eigentlich kein Problem, wenn da nicht die Ehefrau miteingezogen wäre, die permanent am Bett steht und alles kritisiert was wir machen. So dürfen wir bei Betreten des Appartments kein Licht im Flur anmachen, weil sie der Lichtschein durch ihre Zimmertür stört, müssen also im Dunkeln uns zu seinem Zimmer vortasten (Der Tagdienst darf nichtmal mit dem Schlüssel rein, sie müssen draußen zu Zweit warten bis sie öffnet). Dann deckt sie ihn jedesmal zusätzlich über seiner Decke mit 2 Wolldecken zu (im Juni/Juli!), nehmen wir sie im Rundgang raus, liegen sie beim zweiten Rundgang wieder drin und sie kommt rüber und beschwert sich sofort. Fenster dürfen wir nicht öffnen, es könnten Bakterien und Viren eindringen.. usw.usw. Wir haben dann versucht, weil er wegen der Decken dermaßen schwitzt, ihm sein Nachthemd zu wechseln, es ist für ihn sehr anstrengend und er verzerrt das Gesicht, verkrampft. Sie lehnt die einfachen Krankenhaus - Nachthemden ab, wir müssen ihm T-Shirts anziehen. Wenn sie mal nicht Nachts bei ihm am Bett steht und uns zusieht, geht sie rüber sobald wir draußen sind und klingelt dann, weil wieder etwas nicht richtig ist. Es ging jetzt soweit, dass sie Fotos von ihm gemacht hat um zu belegen dass er falsch gelagert gewesen sei, ein Kissen habe falsch gelegen.

Es fällt schwer ruhig zu bleiben. Es fällt unendlich schwer das alles hinzunehmen. Es bringt mich an meine Grenzen, weil ich nichtmehr weiß was ich machen soll. Ich würde den Mann wirklich gerne fachgerecht versorgen, und er ist es, der offenbar auch am meisten unter der Situation leidet, er hat oft hohes Fieber, ist unruhig, kommt kaum wirklich zur Ruhe, weil sie immer da ist und die gesamte Pflege bestimmt. Er bekommt von ihr Essen angereicht, zusätzlich zur Sondenkost auf die sie besteht, er ist völlig überversorgt von ihr. Er selbst kann sich nicht äußern, manchmal kann man an seinem Gesichtsausdruck sehen, ob er Schmerzen hat, was ihm unangenehm ist, und Anfangs hat er auch viel gelächelt (jetzt gar nichtmehr).

Was soll ich machen? Mit ihr Diskutieren, auch wenn sie sich beschwert? Die PDL weiß um die Situation, aber es passiert nichts, es wird nur immer schlimmer. Wir haben mehrmals diese Situation mit der PDL besprochen, auch dass sie Nachts immer bei ihm ist und uns zusieht, geändert hat sich das alles nicht.

Wo zieht ihr in eurem Haus die Grenze, was sie Wünsche der Angehörigen angeht? Kennt ihr ähnliche Situationen?

Danke fürs Lesen.



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johannes
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Registriert: Sa 17. Nov 2001, 23:53
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AW: Anliegen 1: Sklavin der Angehörigen

Beitrag von johannes »

Pflege nach dem Pflegeversicherungsgesetz heißt:

Alles das, was ein Pflegebedürftiger noch selber machen kann, macht er selber. Bei allen anderen Verrichtungen wird er entweder unterstützt oder die Verrichtung wird übernommen.

Das funktioniert bei uns sehr gut und unsere Bewohner sind stolz darauf, was sie noch alles können!

Ist dieses Prinzip allerdings nicht grundsätzlich für das Haus verankert, wird es immer wieder solche Grenzüberschreitungen geben, wie Du schilderst. Handelt es sich um reiche Bewohner, bei denen es auch für die Angehörigen keine Rolle spielt, wieviel sie hinblättern müssen, kann man sich ja überlegen, ob man sich für gutes Geld tatsächlich zum Sklaven machen will.


Ein Mensch existiert nicht - er lebt!
Keiner ist so blind wie der, der nicht sehen will.
Ich vertrete nicht immer die herrschende Meinung - aber ich habe eine Meinung!
Einer sucht für ein Problem eine Lösung - ein Anderer sucht für eine Lösung ein Problem

Viconia
Beiträge: 11
Registriert: Sa 30. Jan 2010, 08:29

AW: Anliegen 1: Sklavin der Angehörigen

Beitrag von Viconia »

Hallo Gast2012

nach einem Telefonat und Gesprächen, die wohl am Tage zwischen PDL und der Dame (erneut) stattfanden, ist es die letzten Nächte etwas erträglicher geworden. Es war wirklich schon eine Art Psychoterror. Sie bemängelte diesmal, dass das Bettgitter auf seiner Blickseite auf einer Seite hochgestellt war, dadurch würde er sich eingeengt fühlen - tatsächlich aber, war er immer ruhiger wenn wir es hochgestellt haben, vielleicht vermittelte es ihm auch Sicherheit. Es gibt immer irgendetwas was nicht richtig ist. Naja.

Ich bin keineswegs Jemand, der schnell aus der Ruhe zu bringen ist.. Bei schwierigen Leuten schicken mich meist meine Kollegen hin, weil ich doch immer wieder einen Weg finde, auf den Beide Seiten sich einig werden. Aber so etwas ist immer sehr schwierig und Riskant, nicht den richtigen Ton zu treffen oder dergleichen, und evtl. später zur Chefin ins Büro zu müssen. Man steht unter permanentem Druck.
Die Dame hat nun vorerst zugesichert, dass sie das Gespräch im Flur mit uns führt, wenn sie etwas zu bemängeln hat, und nicht vor dem Bewohner selbst. Das war besonders wichtig, weil sich dieser Stress immer auch auf ihn überträgt. Ich kann ihn nur fachgerecht versorgen, was sie dann mit ihm macht, sobald ich draußen bin, ist dann nicht mehr meine Verantwortung. Für ihn tut es mir nur Leid, weil sie ihm mit ihrer extremen Fürsorglichkeit mehr schadet als hilft.



Benutzer 10209 gelöscht

AW: Anliegen 1: Sklavin der Angehörigen

Beitrag von Benutzer 10209 gelöscht »

Wegen der Reling (Bettgitter) :
Bitte achte darauf, dass Du exakt dokumentierst, wie Du den Pat.
verlassen hast!
Ideal ist ein FEM-Protokoll.
Wenn Angehörige daran hantieren und etwas passiert, bist Du sonst dran.



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